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Jugend

Jugend

Titel: Jugend
Autoren: Josef Conrad
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kamen heute nacht hierher. Ich bin der Zweite Steuermann. Der Kapitän ist im Großboot und läßt Sie fragen, ob Sie uns mitnehmen könnten.‹
    ›Ach, du meine Güte! Aber … Dies ist die Celestial aus Singapore auf der Rückreise. Ich werde die Sache morgen früh mit Ihrem Kapitän abmachen, … und, … was ich sagen wollte … haben Sie mich gerade eben gehört?‹
    ›Man sollte meinen, die ganze Bucht habe Sie gehört.‹
    ›Ich dachte, Sie wären ein Küstenboot. Sehen Sie – dieser höllische faule Lump von einem Wärter hat wieder einmal geschlafen – zum Henker mit ihm. Das Feuer ist aus, und beinahe wäre ich gegen den verdammten Molenkopf gerannt. Es ist das dritte Mal, daß er mir den Streich spielt. Jetzt frage ich Sie, ist das denn zum Aushalten? Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren. Ich werde ihn melden … Ich werde den Vizestatthalter veranlassen, ihn an die Luf zu setzen, beim …! Sehen Sie – es ist kein Feuer da. Es ist aus, oder irre ich mich? Sie sind mein Zeuge, daß das Feuer nicht brennt. Es sollte ein Leuchtfeuer brennen, müssen Sie wissen, ein rotes Leuchtfeuer auf dem …‹ ›Da war auch ein Feuer‹, sagte ich sanf.
    ›Aber es ist aus, Mann! Was nutzt es, darüber viel zu reden? Sie sehen selbst, es ist aus – oder nicht? Wenn Sie einen wertvollen Dampfer an dieser gottverlassenen Küste entlangführen müßten, dann wollten auch Sie ein Leuchtfeuer. Ich werde ihn von einem Ende dieses erbärmlichen Kais zum andern prügeln. Sollen mal sehen. Ich werde …‹
    ›Dann kann ich also meinem Kapitän ausrichten, daß Sie uns mitnehmen?‹ unterbrach ich ihn. ›Ja, ich nehme Sie mit. Gute Nacht‹, sagte er schroff.
    Ich pullte zurück, machte am Kai fest und legte mich endlich schlafen. Ich hatte das Schweigen des Ostens erfahren. Ich hatte manches von seiner Sprache vernommen. Doch als ich die Augen wieder aufschlug, war das Schweigen so vollkommen, als wäre es nie unterbrochen worden. Ich lag in einer Flut von Licht, und der Himmel hatte noch nie zuvor so fern, so hoch ausgesehen. Ich öffnete die Augen und lag reglos da.
    Und dann sah ich die Menschen des Ostens – sie starrten mich an. Die ganze Länge des Kais war voller Menschen. Ich sah braune, bronzefarbene, gelbe Gesichter, sah die schwarzen Augen, das Funkeln, die Farbe einer östlichen Volksmasse. Und all diese Wesen blickten starr herab, ohne einen Laut, ohne einen Seufzer, ohne eine Bewegung. Sie starrten auf die Boote, auf die schlafenden Männer, die während der Nacht vom Meer hereingekommen waren. Nichts regte sich. Die Palmwedel standen still vor dem Himmel. Kein Zweig rührte sich, das ganze Gestade entlang, und die braunen Dächer verborgener Häuser lugten durch das grüne Laub, durch große Blätter, die schimmernd und still herabhingen wie aus schwerem Metall getrieben. Dies war der Osten der Seefahrer früherer Zeiten, so alt, so rätselhaf, strahlend und düster, lebendig und wandellos, voller Gefahren und Verheißungen. Und dies waren die Menschen. Ich setzte mich plötzlich auf. Eine Welle der Bewegung lief durch die Menge, von einem Ende zum andern, streife die Köpfe, wiegte die Leiber, lief den Kai entlang wie ein Kräuseln über das Wasser, wie ein Windhauch über das Feld – und alles war wieder still. Ich sehe das noch vor mir – den weiten Bogen der Bucht, den glitzernden Strand, das strotzende Grün, unendlich und vielfältig, das Meer, blau wie das Meer der Träume, die Schar aufmerksamer Gesichter, den Glanz der grellen Farben – das Wasser, das alles widerspiegelte: die Kurve des Ufers, den Kai, die fremdländischen Schiffe mit den hohen Hecks, die still im Wasser lagen, und die drei Boote mit den müden Männern des Westens, die da schliefen, ohne etwas zu ahnen von dem Land, den Leuten, der grellen Sonne. Sie schliefen, quer über den Duchten liegend oder zusammengekauert auf dem Boden, unbekümmert wie Tote. Der Kopf des alten Kapitäns, der sich im Heck des Großbootes zurückgelehnt hatte, war ihm auf die Brust gesunken, und er sah aus, als würde er nie wieder erwachen. Weiter draußen war des alten Mahon Gesicht zum Himmel aufgekehrt, und sein langer weißer Bart lag ausgebreitet über seiner Brust, als wäre er dort an seiner Ruderpinne erschossen worden; und ein anderer, der im Bug des Bootes zu einem Häufchen zusammengesunken war, umklammerte im Schlaf mit beiden Armen den Stevenkopf und lag mit seiner Wange auf dem Dollbord. Der Osten betrachtete sie lautlos.
    Seither habe
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