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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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Hochzeit mit dem Mann, der nicht sein Vater war, als Geburtstagsfete, und keiner widersprach. Warum auch? Es war doch alles in Ordnung. Es ließ sich leben, die nächsten paar Jahre. Jürgen war viel draußen, Natur gab’s genug um das Dorf der Krüge, er machte seine Erkundungen, überall standen ihm die Türen offen, die Leute kannten und mochten ihn. Dort, wo der Wald anfängt, steht das letzte Haus, etwas abseits der Straße. Da wohnte sein Freund Hans-Günther. Der hatte was, das zu dieser Zeit nicht jeder hatte: Mickymaushefte! Die beiden Jungs saßen oben unterm Dach und schmökerten. Und sonst? Jürgen war ständig auf Achse, in Bewegung. Längeres Stubenhocken war überhaupt nicht sein Ding, er quatschte frech jeden an. Die Mutter mahnte immer wieder: „Lass das!“ Warum „lass das?“ Was meinte sie bloß? Er verstand es nicht, aber ein merkwürdiges Gefühl beschlich ihn manchmal: Die behandeln mich anders. Bin ich anders? Er beschloss, sich nicht weiter seinen dicken Kopf zu zerbrechen. Es gab ja genug Aufregendes zu erleben in diesen ersten Jahren des Wirtschaftwunders. Die erste Musicbox, die im
Westerwälder Hof
stand, zum Beispiel.
    Mit Rudi redete er anders als mit der Nachbarschaft: Rudi war taub aus dem Krieg zurückgekommen. Die beiden verstanden sich trotzdem prima, der Alte las dem Jungen von den Lippen ab, der Junge wusste, wie er mit Rudi reden musste, damit alles bei ihm ankam. Einmal trafen sie auf ihren Runden auch Menschen, die sie beide nicht verstehen konnten: Rudi mit Jürgens kleinem Bruder Peter im Kinderwagen, Jürgen daneben. Sie spazierten gerade an dieser mysteriösen Relaisstation vorbei. Antennen ragten hoch auf, Funkstation, so was musste das sein. Das waren doch die Amerikaner. Jürgen wusste das, als frecher Frager hatte er das alles rausgefunden. Aber gesehen hatte er bis dahin noch keinen. In einem Hof standen Jeeps, zwei Männer mit kurzen Haaren in grüner Uniform kamen heraus und lächelten, sprachen die Zöllers in dieser unbekannten Sprache an. Aha, Amerika. Echte Amerikaner! Die merkten schnell, dass die Zöllers sie nicht verstanden, einer holte eine Tafel
Hershey’s
Schokolade und Kaugummi. Kaugummi! Zum ersten Mal in seinem Leben.
    Rudis Welt war der Fußball, er spielte selbst, und natürlich nahm er Jürgen zu den Auswärtsspielen seiner Mannschaft mit. Selber spielen, das kam dem kleinen Kerl nicht so oft in den Sinn, darin war er ziemlich untalentiert. Aber am 4. Juli 1954, da saßen sie alle zusammen in der
Krone
in Downtown Hillscheid und hörten mit, wie der Radio-Reporter Herbert Zimmermann abdrehte: „Halten Sie mich für verrückt, halten Sie mich für übergeschnappt,“ kreischte Zimmermann entfesselt ins Mikrophon. Dann „Toor, Toor, Toor!“ Und dann „Aus, aus, aus, das Spiel ist aus …“. Als Deutschland Fußballweltmeister war. Das Wunder von Bern. Das Interessanteste in der
Krone,
das eigentlich viel größere Wunder überhaupt war allerdings die „Kapelle Heinz Werner“, die die aktuellen Tanzschlager spielte, besonders laut bei Karnevalsveranstaltungen.
    Fußball spielen, das sollten andere machen. Rudi machte das natürlich fertig, ändern konnte er es nicht. Was Jürgen beim Fußball fehlte, in der Schule klappte es: Vom Start weg war er Klassenbester, konnte sogar eine Klasse überspringen, was zu den schönsten Hoffnungen berechtigte, wie man so sagt. Aber dann schlug die Provinz zu: Neuer Lehrer, neues Pech, die Vorversetzung war hin. Jürgen verlor die Lust, obwohl er noch problemlos die Aufnahmeprüfung für die Mittelschule in Höhr-Grenzhausen schaffte. Abermals in einem nicht sehr schönen Schulgebäude, platziert in einer parkähnlichen Anlage hinter einer grauen Mauer. In Höhr-Grenzhausen produzierte man außer Krügen, Vasen etc., auch Biergläser. Sahm und Rastal. Genauso wichtige Schriftzüge für den Alltag der Deutschen wie Villeroy & Boch. Die Mittelschule war trotzdem ein pädagogischer Offenbarungseid nach Art des Hauses Merkelbach. So hieß ab jetzt Jürgens Lieblingsfeind. Der hatte das volle Erziehungsprogramm des 19. Jahrhunderts drauf, verprügelte ihn vor der versammelten Klasse, zog ihn an den Ohren, an den Haaren und erdreistete sich, bei Rudi und Gerda mit der frohen Botschaft ins Haus zu fallen: „Herr Zöller, Frau Zöller – Ihr Sohn ist missraten“ Den Sohn packte das Morgengrauen. Jeden Morgen hatte er nur noch Angst, nackte Angst. Er fing an, Umwege zu gehen. Fünf Kilometer ist der Weg vom
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