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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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konnte ja keiner hören. Noch nicht. Er schrieb Geschichten in die Luft. Töne, Rhythmus, Musik. Und hieß ab jetzt Hector Zappel. Das wusste er selbst natürlich auch noch nicht. Keiner brauchte es wissen. Noch nicht. Er wusste ja auch noch nicht, wo er das große Zappel-Alphabet später einmal buchstabieren sollte. In Hillscheid wahrscheinlich nicht. Das große Zappel-Alphabet passte nicht in Krüge.
    Eine Geschichte, die es in dieser Zeit nach dem Krieg in Deutschland oft gab: Gerda war ein junges Mädchen, das bislang nicht viel mehr vom Leben gesehen hatte als den Krieg. Die letzten Kriegsmonate hatte sie als Fernmeldeassistentin überstanden. So eine Frau war Jürgens Mutter. Nach dem Krieg war sie nach Bad Breisig gekommen und hatte dort die große weite Welt kennen gelernt, in Gestalt eines Jobs beim französischen Militär. Ihr Chef hatte einen Sohn, einen 19jährigen Springinsfeld mit Namen Roger, der nach Bad Breisig gekommen war, um bei seinem Vater Ferien vom Internat zu machen. Roger et Gerda. Zwei kleine Welten trafen aufeinander und wurden … leider keine große. On a faisait l’amour, und Gerda wurde schwanger. Das passte nicht in Rogers Welt. Das passte nicht in die Welt des Westerwaldes. In dieses Dorf kurz nach dem Krieg, in dem die Hälfte der Einwohner vielleicht vor kurzem den rechten Arm schon beim Wachwerden gehoben hatten. Die junge Frau war ziemlich verzweifelt. Ihre eigene Familiengeschichte saß ihr im Nacken: Sie hatte ihren Vater nicht gekannt. Sie hatte immer bei ihrem Großvater und ihrer Großmutter gewohnt. Magdalena, die „Theise-Oma“, die war in Ordnung gewesen und war es noch, auf die war Verlass. Aber der Großvater war ein Tyrann. Sie fühlte sich wie das Allerletzte. Denn sie wusste, dass es genug Leute im Dorf gab, die nichts oder bestenfalls wenig tun würden, um sie von diesem Gefühl zu befreien. Sie ertappte sich beim Gedanken an Selbstmord.
    Als Retterin in der Not trat die Theise-Oma auf, sagte kurzerhand: „Geh weg hier aus dem Dorf.“ Also zog Gerda nach Willwerath in die Eifel, zu Verwandten auf einen Bauernhof. Eine Weile fühlte sie sich wie auf der Flucht. Aber da war der Onkel, der nicht die Finger von ihr lassen konnte. Weg, nichts wie weg, und so ging die Odyssee weiter. Die nächste Station war Gerdas Mutter Maria, die in Köln wohnte. Am 27. September 1947 war es soweit: Der Grund der Odyssee erblickte in der Domstadt das Licht der Welt. Großer dicker Kopf, kleiner Körper: Jürgen! Die Welt, in die er hineinwachsen würde, war wieder die kleine Welt des Dorfes Hillscheid. Viele Krüge, bestimmt ein Pferd. Dass es Jürgen gab, wusste die Verwandtschaft inzwischen. Wer sein Vater war, wussten sie auch und sie fingen an, es zu akzeptieren. Sie behielten ihr Wissen für sich. Da war keiner, der es ihm selbst steckte. Schon gar nicht Gerda. Jürgen erfuhr es als Neugeborener nicht, und er wusste es noch nicht, als er diese Straße hinunter ging und das große Zappeln zum ersten Mal spürte, Jahre später. Dadah dadam.
    Obwohl Jürgen dabei war, als Gerda versuchte, Roger zu stellen. Zu Fuß ging sie weiß der Teufel wie viele Kilometer, das Baby auf dem Arm. Eine Freundin, Jürgens Patentante, hatte geheimdienstliche Aktivitäten entwickelt und ihr einen Tipp gegeben. „Pass auf. Du kannst ihn abpassen. Er geht freitags mittags immer ins Kino. Ich sag’ Dir, wo du ihn findest“ Tatsächlich, da waren sie, Gerda sah den Mann, der mit einer ganzen Traube von Mädels fröhlich am Balzen war. „Jetzt aber“, dachte sie bei sich, fasste sich ein Herz, aber der Feigling ergriff die Flucht, lief buchstäblich weg, sie hielt ihm das Baby unter die Nase, nein, davon wollte er nichts wissen. Nichts von seinem Sohn, und auch nichts mehr von Gerda. Roger et Gerda, c’était fini. Er lief auch weg vor seinen eigenen Eltern, die ihm inzwischen die Hölle heißgemacht hatten. Sie schickten ihn konsequent sofort wieder zurück nach Frankreich, als sie Wind von der Vaterschaft bekamen. Vielleicht war er auch kein Feigling, vielleicht ging es nicht anders, damals. Roger verschwand aus Gerdas und Jürgens Leben. Jürgen würde ihn erst über vierzig Jahre später kennen lernen.
    Bald war da ein anderer Mann in Gerdas Leben: Rudi Zöller. Das ist mein Vater, dachte Jürgen. Wer sonst? Jürgen feierte seinen dritten Geburtstag im September 1950 und freute sich. Aber das vermeintliche Geburtstagsfest war bestenfalls zur Hälfte seine Feier: Gerda verkaufte ihm die
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