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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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Bühne war noch gar nicht bedient worden. Hui, wie sie flutschten, die Triolen und Arpeggios. Der Trommler ahnte: das wird anstrengend in Zukunft. Oh ja, und später würde er immer wieder erleben, wie der Kapellmeister funkensprühend auf langen Laufstegen am Horizont entschwand, dabei eine unangenehme Verbindung von Schnelligkeit, Lautstärke und Zerfahrenheit bei der zurückbleibenden Bodentruppe entfachend … bis es dem Schlagwerker im Gebälk zu knirschen anfing. „Wenn er jetzt nicht bald umkehrt, bin ich tot“, würde er dann des öfteren denken. Und es würde schon bald anfangen in chinesischen Hallen. Denn die waren groß und extra für Major Heuser gebaut worden, und der kannte selbst da kein Pardon. Da sollte noch einiges auf den Neuen zukommen, was bisher nicht zu ahnen war. Denn eine Kennenlernphase zwischen ihm und der Erfolgsfirma BAP hatte es praktisch nicht gegeben.
    An seinem 40. Geburtstag glaubte Jürgen schon wieder, sofort sterben zu müssen. „Übrigens, unser Neuer hat heute Geburtstag“, teilte Wolfgang Niedecken den rund 8.000 Besuchern des Anti-Apartheid-Konzertes in der Essener Grugahalle mit, und die sangen aus dem Stand ein überwältigendes „Happy Birthday, lieber Jürgen“. Wirklich sterben wollte der erst, als Wolfgang ihn beherzt vom Schlagzeughocker nahm und nach vorne zum Bühnenrand trug. Warum Jürgen von dieser netten Geste gar nicht so übermäßig begeistert war, bemerkte der Chef in dem Moment nicht: Er hatte seinem Trommler die Eier eingeklemmt, und dem platzte darob nun eben mal gerade minutenlang der Kopf.

1
No Rock, No Roll: Köln Hillscheid, Köln und zurück
     
    Ungefähr 35 Jahre vorher. „I was walking down a lonely street …“ da dah da dam. Der große Blues mit der noch größeren Trommel. Ich bin die staubige Straße hinuntergegangen und dann hatte ich diese Erleuchtung, Baby. Nee, nee. So war es nicht. Nicht Anfang der fünfziger Jahre in einem Kaff im Westerwald. „A one-horse-town“ würden irgendwelche Amis in Songs über solche Käffer singen, viel später. Aber Hillscheid wusste noch nichts von diesen Amis. Von Pferden wussten sie was in Hillscheid, damals. Ungefähr 1200 Menschen wohnten da, damals. Es soll, sagt der Westerwaldverein heute, 18 Kilometer Weg bis zum Mittelpunkt Europas sein. Wenn man auf der Straße von Montabaur her reinfährt, geht es bergab, eine Kurve, und schon ist man mittendrin. Die erste Landmarke rechts ist die Kirche, mit dem steil aufsteigenden Gräberfeld des Friedhofs. Von dort hat man einen hervorragenden Blick in die Luft, auf die typischen Schieferdächer, auf die Schule. Eckig, etwas zu groß geraten, ein hässliches Tier, drüben auf dem nächsten Hillscheider Berg. Immerhin sieben Kneipen, damals. Also die Straße hinauf, an der Schule vorbei, schnell, schnell. Und schon ist man draußen. Im Wald. Davon gibt es genug in Hillscheid. Und Krüge auch, die wurden da zu Hauf hergestellt. Und mittendrin Jürgen.
    „I was walking down a lonely street“. Dadam, Dadam: Jürgen ging die Straße runter, ging am Kindergarten vorbei, da, wo er immer lang gelaufen war. Er war vielleicht fünf oder sechs Jahre alt an jenem Tag, noch nicht in der Schule jedenfalls, und lief da einfach lang, bergab, ziemlich steil bergab sogar, dachte so ein bisschen auf Sparflamme ein und aus. Plötzlich war es da. Was? Es. Ein unbestimmtes, aber ziemlich gutes Gefühl. Das Zappeln. Das kleine noch, auf der nach oben offenen Zappel-Skala vielleicht Stärke 1,5. Aber es war da. Er guckte auf sein rechtes Knie, hörte den Buchstaben zu, wie sie im Kopf sangen. Hey, ein „a“. Hoppla, und noch ein Schritt: Während die Fußspitze sich am Boden abdrückte, hörte er ein „e“ durch seinen Kopf sausen. Klingt gut, klingt rund, dachte er. Weiter so, Jürgen. Nicht hinfallen, man brauchte ja zum Laufen auch den linken Fuß: „O“. Oooooh! Aaaah. Er beschleunigte. Im Kopf sauste es weiter: Ja, soo ist es gut. Das war? Was war denn das? Das war Musik. Die sich bewegte. Schnell oder langsam. Ganz wie er es wollte. Das was rund oder eckig. Es kam ganz drauf an, wie er lief, wie er die Füße setzte. Ein musikalisches Alphabet. Das kam aus dem Hirn, aber das kam auch aus den Muskeln. Er beschleunigte noch einmal, der Kindergarten flog vorbei, der Rhythmus nahm Fahrt auf. Und es war ein Rhythmus, soviel spürte er. Ab da war nix wie bisher. So konnte er jetzt immer rumlaufen und der Welt mit seinem Muskelalphabet Gott-weiß-was erzählen. Es
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