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Judasbrut

Judasbrut

Titel: Judasbrut
Autoren: Sabine Fink
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versteckt hinter einem Ast befestigt war. »Da
müssen wir lang. Also, was ist? Kommst du jetzt mit oder willst du lieber
zurück?«
    Jens
sah sie verdrossen an. »Du bist heute echt nicht gut drauf, oder?«
    Ohne
ihn noch eines Blickes zu würdigen, schulterte Nina ihren Rucksack und
marschierte weiter.
    »Nina!«,
rief Jens ihr hinterher.
    Nina
stellte sich vor, wie Jens mit den Händen in den Hüften da stand und wartete,
dass sie umkehrte. Sie hörte ihn noch ein paar Mal rufen, aber sie drehte sich
nicht um. Erst nach einigen Minuten blieb sie stehen. Jens war nicht hinter ihr
hergekommen. Sie schnaubte. Typisch! Sollte er mitsamt seiner verdammten
Sturheit bleiben, wo der Pfeffer wächst. Von wegen, sie war nicht gut drauf!
    Sie
folgte dem Weg weiter durch den Wald und über die Felder. Zwei Mal verpasste sie
einen Wegweiser, darum brauchte sie viel länger als erwartet, bis sie endlich
in Sachsendorf an der Brauerei ankam. Allmählich war ihr Ärger über Jens
verraucht. Wahrscheinlich würde auch er sich beruhigt haben, wenn sie zurück in
Hochstahl war. Es wäre nicht das erste Mal in ihrer zehnjährigen Beziehung,
dass sich jeder nach einem Streit in einen Schmollwinkel verzog. Zu Anfang
ihrer Beziehung hatten sie sich mit ein paar gegenseitigen Sticheleien schnell
versöhnt. Heute dauerte es meist länger. Resolut schob Nina das unschöne Gefühl
beiseite, dass Jens eines Tages in sein altes Eifersuchts- und Kontroll-Muster
zurückfallen konnte, das ihnen vor ein paar Jahren große Probleme bereitet
hatte.
    In dem
kleinen Biergarten der Brauerei Stadter in Sachsendorf war viel los, daher
setzte sie sich an einen der langen Biertische zu einer Familie. Während sie
auf ihr Essen wartete und dabei in einer herumliegenden Tageszeitung blätterte,
kam sie irgendwann mit den Eltern ins Gespräch. Die beiden Kinder spielten Uno .
Nina ließ sich gern zu ein paar Runden mit der ganzen Familie überreden. Sie
vergaß die Zeit, daher war es schon nach vier, bis sie schließlich weiterging.
Am Himmel waren inzwischen mehr als nur ein paar Schäfchenwolken aufgezogen – vielleicht
sollte sie Jens darum bitten, sie abzuholen? Sie konsultierte die Wanderkarte.
Auf ihrem Weg befände sie sich stets in der Nähe einer Straße und konnte später
jederzeit anrufen.
    Während
sie durch Sachsendorf und Neuhaus wanderte, dachte sie darüber nach, sich
trotzdem bei ihm zu melden, entschied sich dann allerdings dagegen, um keine
Diskussion am Telefon zu provozieren. Wenigstens bis Aufseß wollte sie noch
wandern. Möglicherweise fuhr von dort ein Bus nach Hochstahl, dann war sie gar
nicht auf Jens angewiesen. Es war im Grunde albern, aber eine kleine Genugtuung
würde es sein, wenn sie den Weg zurück allein schaffte. Ein paar spitze
Bemerkungen über seine zunehmende Bequemlichkeit würde Jens über sich ergehen
lassen müssen. Sie kicherte vor sich hin. Spätestens nach ein paar Spötteleien
würde der Rest des gemeinsamen Tages schön werden. Wie immer.
    Eine
Stunde später, irgendwo mitten im Wald, war ihre gute Laune verflogen. Sie
setzte sich auf einen Holzstapel am Rande einer Lichtung und nahm die
Wanderkarte zur Hand. Nachdem sie in den Wald eingebogen war, hatte sie eine
ganze Weile keine Wegmarkierungen mehr zu Gesicht bekommen, außerdem war von
einer Straße weit und breit keine Spur. Der kühle Wind ließ sie frösteln. Es
hatte angefangen zu nieseln.
    »Na
toll«, murmelte sie, als sie trotz der Karte immer noch keinen blassen Schimmer
hatte, wo sie gelandet war. Es wäre wohl besser Jens anzurufen. »Und was sage
ich ihm, wo ich bin?«, fragte Nina einen Ohrenkneifer, der gerade Anstalten
machte, auf ihren Oberschenkel zu klettern. Sie schnippte ihn herunter. Ein
GPS-Gerät wäre gut. Oder ein Handy, mit dem man seine Koordinaten bestimmen
konnte. Sie prüfte, ob ihr Smartphone irgendeine brauchbare App besaß, doch
außer einer Tonfolge und der Meldung, dass der Akku leer sei, gab es nichts von
sich.
    Sie
ärgerte sich über sich selbst – und besonders darüber, dass
sie keine Regenjacke mitgenommen hatte. Im Geiste streckte sie Jens die Zunge
raus. Sie hasste es, wenn er recht behielt.
    Als sie
eine halbe Stunde später zum zweiten Mal an demselben Holzstoß vorbeikam,
musste sie sich wohl oder übel eingestehen, dass sie sich gründlich verlaufen
hatte. Inzwischen regnete es stark, ab und zu grollte der Himmel. Ein besonders
heller Blitz ließ sie unwillkürlich zusammenzucken. Sie zählte die Sekunden
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