Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Judasbrut

Judasbrut

Titel: Judasbrut
Autoren: Sabine Fink
Vom Netzwerk:
gehen?«, fragte er, als
er vor ihr stand. Seine Finger berührten federleicht ihr Gesicht. »Der Abend
hat gerade erst angefangen.«
    Nina
trat einen Schritt zurück. »Ich bin verheiratet!« Sie bemühte sich, empört zu
klingen.
    Georg
lachte sein raues Lachen und folgte ihr. Seine Hand kroch ihren Arm hinauf,
ihre Schulter entlang, verharrte an ihrem Hinterkopf. Anstatt sich von ihm
loszumachen oder noch besser, ihm gleich einen Tritt zwischen die Beine zu
verpassen, starrte Nina ihn an. Ihr wurde schwindelig. Sie hätte nicht so viel
trinken sollen.
    »Wen
interessiert das schon?«, wisperte er in ihr Ohr.
    Sie
fühlte die Bewegung seiner Lippen auf ihrer Haut, den Hauch seines Atems. Ein
Prickeln lief ihre Wirbelsäule entlang. »Nein … ich … gehe jetzt … «
    »Dein
Mann ist nicht hier, Nina«, wiederholte er leise. Seine heisere Stimme klang
wie die des Wolfes, der die sieben Geißlein zu betören versucht. »Niemand ist
hier … niemand weiß, wo du bist.«
    Er
küsste sie mit unvermuteter Leidenschaft. Zu verblüfft über diese Dreistigkeit
hielt sie zunächst still, bevor sie sich gegen seine Brust stemmte, um sich ihm
zu entziehen. Trotz ihrer Gegenwehr hielt er sie eine Weile fest, bevor er sie
freigab. Ihre Beine fühlten sich an wie Pudding. Was sollte sie tun?
    Niemand
war hier. Niemand wusste, wo sie war – niemand würde sie hören, wenn sie schrie.
    Was
würde er mit ihr tun, wenn sie sich wehrte? Wenn sie versuchte zu fliehen?
    Und
was, wenn sie es nicht tat?
    Die
Haustür war abgeschlossen. Konnte sie den richtigen Schlüssel schnell genug aus
dem Kästchen holen?
    Das
Herz schlug ihr bis zum Hals.

Montag, 20. April 2009
     
    Aus: Fränkischer Morgen,
›Linker Terror in Deutschland fordert erneut Todesopfer‹
     
    Der am vergangenen Freitag bei
dem Bombenanschlag am Berliner U-Bahnhof Kurfürstendamm verletzte Polizist
erlag gestern im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Die Zahl der
Todesopfer erhöht sich somit auf drei.
    In
einem Bekennerschreiben übernahm das »kämpferische bündnis« (kb) die
Verantwortung für den Anschlag. Terrorismusexperten des BKA befürchten weitere
Attentate in deutschen Großstädten. Wer die Täter sind und welche Motive sie
haben, liegt, so ein BKA-Sprecher, weiterhin im Dunkeln.
     
     
    Dechsendorf
     
    »Mamaaaaaa! Beeil dich, sonst
komm ich zu spät zur Schule!«
    »Wenn
du deinen Wecker richtig gestellt hättest, hättest du den Bus nicht verpasst!«
Mit wehenden roten Haaren und dem Telefonhörer am Ohr flitzte
Kriminalhauptkommissarin Maria Ammon quer durch den Flur und sprintete die
Treppe hoch. »Und jetzt halt mal die Luft an! Was? Nein, nicht du … ja, es
war wunderbar … heute Abend sieht es schlecht aus, ich muss noch zu meiner Mutter
ins Krankenhaus und … oh, klar hab ich dich vermisst … «
    Franziska
verdrehte derweil die Augen. »Wir hätten eben nicht erst letzte Nacht von
Mallorca zurückfliegen sollen!«, rief sie ihrer Mutter hinterher. »Was machst
du denn jetzt noch?«
    »Soviel
ich weiß, fahren um diese Zeit mehrere Busse! Nimm einfach den nächsten, wenn
du nicht auf mich warten willst!«, rief sie ihrer Tochter von oben zu.
»Steinbachbräu? Ja, … nein, heute Abend nicht, Olaf.«
    »Mit
dem Bus komm ich erst recht zu spät!«
    Aus der
Küche erklang ein dumpfes Brummen, das ohne Worte ausdrückte, was der
Verursacher dieses Geräusches von der morgendlichen Hektik hielt. Ein älterer
Mann mit ausgebeulten Hosen und einer grauen Strickjacke schlurfte mit einer
Kaffeetasse in der Hand heran. »Soll ich dich bringen?«
    »Nee,
schon gut, Opa. Ich glaube, Mama ist gleich fertig.«
    »Ja, in
Ordnung. Morgen um sechs. Klar kommt Franzi mit.« Maria polterte gerade die
Treppe herunter, vorbei an ihrer Tochter, die energisch den Kopf schüttelte.
»Und sie freut sich auch, dich zu sehen … Servus.« Sie legte auf und warf das Telefon auf die Kommode im Flur. »Übrigens
dachte ich eigentlich, dass du alt genug bist, selbst an deinen Wecker zu
denken!«
    »Es war
mitten in der Nacht, als wir wiederkamen! Da war ich nicht mehr
zurechnungsfähig.«
    »Es war
erst elf! Wie oft muss ich dich sonst um die Uhrzeit erst noch daran erinnern,
dass du endlich schlafen sollst, weil am nächsten Tag Schule ist!«
    »… kann
sie fei bringen«, meldete sich Hermann Ammon zu Wort.
    Maria
winkte ab. »Nein, ist in Ordnung. Los Franzi, schick dich!«
    Franzi
stöhnte theatralisch, während sie sich ihre Bücher­tasche schnappte.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher