Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Judasbrut

Judasbrut

Titel: Judasbrut
Autoren: Sabine Fink
Vom Netzwerk:
eigentlich? In Aufseß?«
    Georg
holte zwei Schnapsgläser aus einem Schrank. Erst jetzt bemerkte Nina die
Flasche auf dem Tisch.
    »Hier,
trinken Sie den, damit Ihnen warm wird.« Er reichte ihr ein fast randvolles
Schnapsglas. »Zum Wohl.«
    Nina
betrachtete das Glas. »Hatten Sie den etwa dabei?«
    »Nein,
er stand in der Küche«, antwortete er und nippte. »Kirschwasser. Probieren
Sie.«
    »Ich
trinke normalerweise keinen Schnaps«, erwiderte Nina, der nicht wohl bei dem
Gedanken war, sich an den Vorräten der unbekannten Eigentümer zu vergreifen.
Trotzdem nahm sie einen großzügigen Schluck, weil sie immer noch fröstelte. Sie
schüttelte sich bei dem hochprozentigen Alkohol.
    Georg
lachte kehlig. Er stellte die Flasche auf den niedrigen Wohnzimmertisch, bevor
er sich auf einen der beiden Ohrensessel setzte. Während er mit seinen
Fingerspitzen auf der Armlehne herumtappte, sah er auf die Uhr. Der Regen
trommelte leise auf das Flachdach.
    Nina
räusperte sich. »Also, Sie kommen nicht aus der Gegend und wandern durch die
Fränkische. Ihr Rucksack sieht aus, als hätten Sie eine längere Tour vor.«
    Bedächtig
trank Georg einen Schluck. »So etwas in der Art.« Er machte dazu eine vage
Handbewegung.
    Während
der neuerlichen Gesprächspause zupfte Georg an seinem Ohrläppchen herum. Vor
lauter Verlegenheit setzte Nina noch einmal das Glas an. Der Schnaps hinterließ
eine brennende Spur bis in ihren Magen. Während sie Georg musterte, kam er ihr
mit einem Mal bekannt vor.
    »Waren
Sie vorhin zufällig in Sachsendorf im Biergarten?«
    Georgs
leichter Silberblick wirkte ein wenig melancholisch, als er den Kopf
schüttelte. »Nein.«
    »Sind
wir uns vielleicht woanders mal begegnet?«
    »Nicht,
dass ich wüsste.«
    »Sie
erinnern mich an jemanden … hm.« Nachdenklich kratzte sie sich am Kopf.
    Er zog
seine Brauen zusammen. Nina hatte den Eindruck, dass ihm ihre Fragerei lästig
war, daher bohrte sie nicht weiter, sondern setzte das Schnapsglas an die
Lippen – nur um festzustellen, dass es leer war.
    Georg
schenkte ihr nach. Sein Blick hing dabei wie festgeklebt an ihr. Nervös strich
Nina sich durchs Haar.
    »Ich
glaube, Sie kannten das Haus hier, oder?«, stellte sie bemüht fröhlich fest.
»Gehört es vielleicht Ihren Eltern oder irgendeiner Verwandtschaft?«
    Langsam
schüttelte Georg den Kopf. Sekunden später stand er auf, schob eine Gardine zur
Seite, um hinauszuspähen. Schließlich lehnte er sich mit dem Hintern gegen die
Fensterbank. »Woher kommen Sie eigentlich?«
    »Aus
Erlangen. Wir wohnen in Frauenaurach, falls Ihnen das etwas sagt.«
    »Natürlich.
Aus den Verkehrsnachrichten von der A 3.«
    Nina
lachte – lauter als beabsichtigt – und
war froh, dass nun die Initiative von Georg ausging.
    »Oh,
sind Sie … hin und wieder mit dem Auto in Erlangen unterwegs?«
    »Hin
und wieder«, bestätigte er.
    Anfangs
noch zäh, plätscherte ihr Gespräch dahin. Er erkundigte sich, was sie beruflich
machte und sie erzählte von der Realschule am Europakanal, an der sie Deutsch,
Mathe und Geschichte unterrichtete. Dann unterhielten sie sich über Ninas
Hobby, das Laufen, und schließlich über den Bau ihres Hauses in Weisendorf.
Irgendwann erwähnte sie sogar ihren Streit mit Jens und wie sie in die prekäre
Situation geraten war. Nachdem das Eis einmal gebrochen war, war es nicht mehr
schwer, mit Georg zu reden – obwohl ihr auffiel, dass er
dabei fast nichts über sich erzählte.
    Allmählich
war Nina nicht mehr kalt. Doch mit der Wärme kam die Müdigkeit, und als ihr
Gespräch irgendwann ins Stocken geriet, dachte sie ohne große Begeisterung
daran, dass dies vielleicht ein guter Zeitpunkt sei zu gehen. Georg beobachtete
sie mit seinen seltsamen dunklen Augen und Nina unterdrückte den Impuls, den
Bademantel enger zu schnallen. Die Luft schien zu knistern. Vielleicht lag es
an den gelegentlichen Blitzen, die immer noch über dem Himmel zuckten – oder
an den intensiven Blicken, die Georg ihr zuwarf?
    Schließlich
gab sie sich einen Ruck. »Danke für Ihre Hilfe. Ich gehe jetzt. Sie müssen
natürlich nicht mitkommen – wenn Sie mir vielleicht sagen, wo ich lang muss und wie der
nächste Ort heißt?« Sie stand auf.
    »Sie
würden sich wieder verlaufen«, antwortete Georg leichthin, während er sich
ebenfalls erhob. »Es ist dunkel. Der Weg führt mitten durch den Wald und
verzweigt sich mehrmals. Hier ist weit und breit nichts – und
niemand.« Langsam näherte er sich. »Willst du wirklich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher