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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß
Autoren: Lion Feuchtwanger
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hatte, wollte nicht weiter in sich drängen lassen. Die Regierungsakten wuchsen, warteten auf seine Unterschrift. Der schwierige Handel mit Baden-Durlach wegen des Kostenbeitrags für die Festung Kehl stand vor einem günstigen Vergleich, der Geschäftsträger der Markgräfin drängte, aber der Herzog war nicht zu erreichen. Auch das Abkommenmit Heilbronn und Eßlingen über die Neckarregulierung forderte dringend Resolution: und kein Herzog, kein Herzog. All gut, all gut. Dafür ließ er jetzt die Ritter seines Hubertusordens kommen und soff mit ihnen herum. Er selber legte das Ordenszeichen nicht ab, das goldene Kreuz mit dem rubinroten Schmelzwerk, den goldenen Adlern und dem Jägerhorn und der Devise: Amicitiae virtutisque foedus. Auch die ungarische Tänzerin mußte in Neßlach bleiben, die blutjunge, heillos törichte, makellos gewachsene. All gut, all gut. Mochte er mit den Jagdkumpanen saufen, mit dem blitzdummen Geschöpf huren, aber keine Räte, keine Hetzer, keine Intriganten.
    Sie gönnt sich nicht Ruhe mittlerweile. An ihre Verwalter und Intendanten gehen verschärfte Ordres, aus ihren Gütern und Herrschaften den letzten Groschen herauszupressen. Sie schafft zwanzig neue Beamtenstellen, höchst überflüssige, und ihre Zutreiber müssen diese Ämter von heute auf morgen verkaufen, die Kaufgelder und Kautionen in die gräfliche Schatulle einliefern. Das herzogliche Kammergut, trotzdem ihr Holz, Wein, Früchte geliefert waren, erhält eine ungeheure Rechnung über Spesen, die ihr die letzten Besuche Eberhard Ludwigs verursacht hätten. Wie ein ausgehungerter Hund am Knochen nagt sie an allen Einkünften des Herzogtums, gierig und verbissen, und täglich geht Geld außer Landes, große Summen, an ihre Bankiers in Genf, Hamburg, Venedig.
    Und der Herzog ist noch immer in Neßlach. Er hat sich aus dem Marstall die drei großen Gespanne kommen lassen, jedes von acht Pferden, mit denen kutschiert er jetzt alle Künste der Reitschule. Die Ungarin kreischt, die Herren vom Hubertusorden applaudieren in ehrlicher Bewunderung.
    Endlich, hergewünscht, hergeflucht, heiß erwartet, kommt Isaak Landauer nach Wildbad. In seinem schmierigen Kaftan saß er im Arbeitskabinett der Gräfin inmitten von Lapislazuli und Zierat, Spiegeln und goldenen Putten. Die Gräfin ihm gegenüber, prächtig, am Sekretär, zwischen ihnen in hohen Stößen Akten, Tabellen, Rechnungen. Er schaute durch, prüfte, die Gräfin gab ihm hemmungslos Auskunft, er entdecktehier und dort noch Lücken, wies schärfere Schrauben, Pressungen. Die Gräfin, den zu fetten Nacken wie die makellosen Arme nackt, hörte aufmerksam zu, machte Einwendungen, notierte. Schließlich verlangte sie auf drei ihrer Dörfer ein ungeheures Darlehen.
    Isaak Landauer schaute sie an, wiegte den Kopf, sagte vorwurfsvoll: »Habe ich das verdient, Exzellenz?« – »Was verdient?« – »Daß Sie mich für einen ausgemachten Narren halten.« Sie, auffahrend: »Was will Er, Jud? Wohin zielt Er? Hätt Er mir vor zwei Jahren das Geld nicht geliehen? Bin ich jetzt weniger gut?« Der Jude, behutsam: »Wozu braucht Euer Exzellenz das Geld? Es aus dem Land zu schaffen. Weshalb es aus dem Land schaffen? Doch nur, weil Sie Eventualitäten fürchten. Wenn aber Eventualitäten zu fürchten sind, dann sind die Güter keine Garantie. Wollen Sie, daß ich soll an Ihnen Geld verlieren?« Die Gräfin schaute vor sich hin, hilflos; dann zu ihm, und ihre Augen sagten ihm, daß es um viel mehr ging als das Geld, ihre Augen bekannten ihm all ihre Ängste, Hoffnungen, Zweifel. »Er ist klug, Jud«, sagte sie nach einer Weile. »Glaubt Er, daß ich es wagen darf, die Güter« – sie stockte – »nicht zu beleihen?«
    Er hätte ihr gern etwas Freundliches gesagt. Aber sie war eine gescheite, feste Frau, sie brauchte, sie wollte keine Vertröstung und Verschleierung, es war geradezu unanständig, ihr mit so was zu kommen. Er schaute sie auf und ab, und sie war bedenkenlos offen zu ihm, er sah ihr entspanntes Gesicht, den gelösten, feisten Leib, und er wußte auf ihren dringlich fragenden Blick keine andere Antwort als ein Schweigen und ein Achselzucken. Da ließ sie sich vollends fallen. Sie brach in ein lautes, haltloses Weinen aus wie ein kleines Kind. Dann begann sie unflätig zu schimpfen auf die Minister, ihren Bruder, ihren Neffen und die andern alle, ihre Kreaturen, die sie fallenließen und keine Hand rührten, die sie noch stießen. Die Kanaillen, die schmutzigen! Sie hatte sie in ihre
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