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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ärgern, indem er die Sicherheit, die Chancen des Geschäfts ins vollste Licht rückte. Er analysierte kurz, klar, sachlich. Eine gescheite Dame, die Gräfin. Sinn für Realitäten. Sie hat sich jede Steigerung in der Liebe des Herzogs mit Terrains und Privilegien zahlen lassen, und nahm er ab in der Liebe, dann mußte er, wenn er wiederkam, mit Bargeld und Juwelen zahlen. Was hat sie in das Geschäft hineingesteckt? Ein hübsches Gesicht, einen kleinen Adelstitel, ein bißchen problematische Jungfräulichkeit. Nicht einmal Kleider hat sie gehabt, wie sie an den Hof kam. Und was hat sie herausgewirtschaftet? Die Gräfin von Würben, die Gräfin von Urach, die Landhofmeisterin Exzellenz, Präsidentin des Conseils. Die Oberaufsicht der herzoglichen Schatulle. Achtzehntausend Gulden Apanage. Die Stammkleinodien und Hausjuwelen. Alle Honneurs, Emolumenta und Privilegien einer reichsunmittelbaren Fürstin. Barkapital und Tratten auf Prag, Venedig, Genf, Hamburg. In ihren Schatullen, sagt mir der Sekretär Pfau, dreihunderttausend Gulden. Sollen es nur zweimalhunderttausend sein, ist auch mitzunehmen. Die Rittergüter Freudenthal, Boihingen, die Dörfer Stetten und Höpfigheim, die Herrschaften Wilzheim, Brenz mit Oggenhausen, Marschalkenzimmern. Eine gescheite Frau, eine liebenswürdige Frau,eine Frau, die weiß, worauf es ankommt. Sie verdiente, Jüdin zu sein.
    »Sie soll in Disgrace sein«, meinte Süß. »Sie hat sich brouilliert mit ihrem Bruder. In der Landschaft tuschelt man, ihr eigener Bruder habe dem Herzog geraten, sie abzuschaffen. Auch der König von Preußen hat auf ihn eingeredt. Sie wird alt, störrisch, schwer traktabel. Und so fett. Der Herzog ist nicht mehr für soviel Fett in letzter Zeit.«
    »Sie kennt sich aus«, erwiderte Isaak Landauer. »Sie weiß, die Bank von England hält sicherer als der Liebesschwur eines geilen Herzogs. Sie ist assekuriert, sie ist besser wie mancher Reichsfürst. Glaubt mir, Reb Josef Süß.«
    Süß verzog den Mund. Was sagte er: Reb Josef Süß? Warum nicht: Herr Hoffaktor oder: Kollega oder so? Es war schwer, mit dem Alten zu verkehren. Er kompromittierte einen. »Wenn der Herzog sie fallenläßt«, sagte er nach einer Weile, »wird sie wenig retten können. Sie ist im Herzogtum angesehen wie Pest und Nonnenfraß. Sie hat den Haß des ganzen Landes gegen sich.«
    »Haß des Landes!« sagte Isaak Landauer amüsiert, geringschätzig, wiegte den Kopf, kämmte sich mit den Fingern den rotblonden, verfärbten Ziegenbart, lächelte. Und Süß spürte, er hatte recht. »Wer, so er was taugt, hat nicht den Haß des Landes gegen sich? Wer anders ist als die anderen, hat den Haß des Landes. Haß des Landes hebt den Kredit.«
    Süß wurde gereizt durch den friedfertig überlegenen Ton des anderen. »Eine Hure«, achselzuckte er, »geizig, unfürstlich von Manieren, dazu fett und alt.«
    »Gered, Reb Josef Süß«, sagte Isaak Landauer gelassen. »Hure! Ein Wort. Trösten sich die tugendhaften alten adeligen Fräuleins damit, die ihr neidisch sind. Hat auch die Königin Esther zuerst nicht wissen können, ob sie nicht des Ahasverus Kebsweib wird. Ich sag Euch, Reb Josef Süß, die Frau ist gut für fünfmalhunderttausend Gulden. Sie ist gescheit, sie weiß, was sie will. Hat sie nicht die Juden zugelassen in ihre Dörfer und Herrschaften? Nicht aus Sentimentalität,bewahre. Aber sie ist klug, sie riecht, wer klug ist, mit wem man reden kann, handeln, klar, und es kommt was heraus. Fünfmalhundert? Sie ist gut bis zu fünfmalhundertundfünfzigtausend!«
    Mittlerweile fuhr der Wagen beim Gasthof »Zum Stern« in Wildbad vor. Der Sternwirt stürzte heraus, zog die Kappe. Aber wie er den Kaftan Isaak Landauers sah, warf er patzig hin: »Hier ist kein Judenwirt«, und wollte in den Torgang zurück. Doch der blasse Sekretär stieg von seinem Sitz. »Das sind die Herren Hoffaktoren Oppenheimer und Landauer«, sagte er gelassen und über die Achsel, während er den Herren beim Aussteigen half. Und schon dienerte der Sternwirt mit tiefem Bückling voraus in die Zimmer.
    Josef Süß hatte sich grimmig bewölkt bei den Grobheiten des Gesellen; aber er schritt schweigend neben Isaak Landauer. »Nu«, lächelte der, »auch vor einem galonierten Geheimratsrock hätte er nicht können mit seinem Fuß weiter nach hinten auskratzen.« Und er lächelte und kämmte sich mit den Fingern den schüttersträhnigen, verfärbten Bart.
    Die Gräfin hatte den Herzog an den Wagen geleitet; während der
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