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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Verspürte dieser Alte nicht Lust, auf andere herunterzuspucken, wie man auf ihn herunterspie, Fußtritte weiterzugeben? Wozu schuf sich einer Macht, wenn er sie nicht zeigte? Der Ravensburger Kindermordprozeß! Solches Zeug lag ihm im Sinn! Verstaubt, vermodert, vergraben. Heute war es, Gott sei Dank, besser, gesitteter, zivilisierter. Heute, wenn es der Jud nur schlau anfing, saß er mit den großen Herren an einem Tisch. Hatte nicht sein Großvetter, der Wiener Oppenheimer, vor dem römischen Kaiser darauf pochen können: wenn jetzt gegen die Türken die kaiserlichen Waffen siegreich waren, so war des er, der Jud Oppenheimer, mit die vornehmste Ursach. Und die kaiserliche Kriegskanzlei und der Feldmarschall Prinz Eugen hatte das in bester Form und mit Siegel und Dank bestätigt. Brauchte sich einer nur nicht in alberne Capricen verbeißen und mit Kaftan und Schläfenlöckchen herumlaufen. Dann hätte auch der Ratsherr Etterlin aus Ravensburg seinen Diener und Kompliment gemacht.
    Isaak Landauer saß immer in der gleichen unbequemen, aufreizend uneleganten Haltung. Er las dem Süß wohl die Gedanken von der Stirn; aber er schwieg, schloß halb die spähenden Augen, mummelte.
    Süß hatte wirklich die Absicht, sich in Wildbad zu erholen, auszuruhen. Er hatte zwei gefährliche, aufregende Affären hinter sich. Einmal die Einführung des Stempelpapiers in der Kurpfalz. Der Kurhut hatte sich eine verdammt hohe Pacht zahlen lassen. Das Volk hatte sich gegen die neue Steuer gewehrt wie ein bissiger Hund. Je nun, er hatte sich nicht einschüchtern lassen, er hatte wider die Beschimpfungen,Drohungen, Aufläufe vor seinen Büros, Pasquille, Tätlichkeiten das Siegel und die Handschrift des Kurfürsten, er hatte von seiner Schrift kein Jota abgelassen, und das hatte sich auch gelohnt, er hatte den Vertrag mit einem Gewinn von zwölftausend Gulden weiterverkauft. Und er hatte sich dann nicht etwa Ruhe gegönnt, nein, die zwölftausend Gulden mußten sogleich weiterarbeiten. Entschlossen, schnell und gesammelt – man ließ ihm nur zwei Tage Bedenkzeit – war er in den Münzakkord mit Hessen-Darmstadt hineingesprungen. Ein gefährliches Geschäft. Sein Bruder, der Baron, der Getaufte, der doch in Darmstadt zu Hause war und das Terrain genau kannte, hatte es nicht gewagt; selbst Isaak Landauer hatte mit dem Kopf gewackelt und sein Lächeln eingestellt. Die Rentämter von Baden-Durlach, Ansbach, Waldeck, Fulda, Hechingen, Montfort waren erbitterte Konkurrenten und prägten, was sie konnten. Noch schlechtere Münze zu prägen, dazu mußte man verdammt kaltes Blut haben und eine Stirn, eisern bis zur Verzweiflung. Süß hatte sie. Und wußte auch dieses Geschäft mit Profit und zur rechten Zeit abzustoßen. Mochte sich jetzt sein Nachfolger mit den tausend Widerwärtigkeiten herumschlagen. Er war gedeckt durch ein Dekret des Landgrafen, er war mit gutem Profit, in Gnaden, aus seinen Diensten entlassen worden. Jetzt hatte er sein schönes Haus in Frankfurt, in Mannheim, beide schuldenfrei, dazu gewisse Liegenschaften, von denen niemand eine Ahnung hatte, in den östlichsten Teilen des Römischen Reiches. Kapital, Verbindungen, Titel, Kredit. Den Ruf eines findigen Kopfes, einer glücklichen Hand. Er durfte sich, weiß Gott, Ruhe und ein Leben aus dem vollen gönnen. Er wollte der Welt zeigen, wer der kurpfälzische Oberhof-und Kriegsfaktor war. Der Luxus selbst seiner Muße wirkte ja für sein Geschäft, empfahl ihn den großen Herren.
    So fest er entschlossen war, die Tage in Wildbad seiner Erholung zu gönnen, so falsch ihm Isaak Landauers Grundsätze schienen – seine eigene Art, mit Fürsten und großen Herren umzugehen, sich ihnen anzuschmiegen, war sicherdie zeitgemäße, einzig richtige –: es wäre Wahnsinn gewesen, von diesem Genie der vorigen Generation, diesem personenund sachkundigsten Finanzmann nicht auf der Reise zu profitieren. Er fragte also geradezu nach der Gräfin, ihren Aussichten, Hoffnungen, Schwierigkeiten, ihrer geschäftlichen Bonität.
    Isaak Landauer schüttelte, sowie von Geschäften die Rede war, die Schläfrigkeit ab und richtete kluge, sehr wache, spähende Augen auf den Gefährten. Es war ihm Geschäftsprinzip, wenn möglich, bei der Wahrheit zu bleiben. Gerade durch seine gewagten und verblüffenden Offenheiten hatte er die größten Profite gemacht. Er wußte, der Süß mochte die Gräfin nicht leiden; ihre Geldgier schien ihm unfürstlich, ordinär. Was sollte er den Kollegen nicht ein wenig
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