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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition)
Autoren: Anna Vovsova
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fiel ein kleingewachsener, exotisch aussehender Mann mit asiatischen Augen auf, wie er in die Fenster der Räume im Erdgeschoss hineinlugte, die zu vermieten waren.
    Der Herr lächelte Josef zu und begrüßte ihn mit einer angedeuteten Verbeugung. Auch Josef lächelte dem Mann zu und fragte ihn, ob er die Wohnung im Erdgeschoss mieten wolle. Und als der exotisch aussehende Mann nickte, verwies ihn Josef an den Hausmeister, den Herrn Bílek, und deutete mit dem Kopf zu den Fenstern im zweiten Stock, aus denen ein etwas falsch klingendes Klavierspiel drang.
    »Aber meine Eltern haben gesagt, dass es dort feucht und dunkel ist, und …« Josef kam ein bisschen näher auf den Mann zu und flüsterte bedeutungsvoll: »Und es stinkt!«
    Der exotisch aussehende Mann hatte Josef wohl nicht ganz verstanden, denn er strahlte übers ganze Gesicht und wiederholte Josefs Worte, als ob Feuchtigkeit, Dunkelheit und Gestank genau das wären, wonach er immer schon gesucht hatte: »Lichtig, lichtig, feucht, dunkel, stinkt, sehl gut …«
    Josef schaute den Mann eine Weile verdattert an, doch dann dachte er sich, es ist jedermanns eigene Sache, was ihm gefällt und was nicht, und sagte: »Herr Bílek ist ein Schleckermaul …« Josef sah den exotisch aussehenden Mann forschend an, ob er ihn auch verstanden hatte, und als dieser zustimmend nickte, setzte Josef fort: »Am liebsten nascht er …« Josef stockte kurz und flüsterte dann, als ob er ein großes Geheimnis preisgeben würde: »Schlangen! Wenn meine Eltern mit der Miete im Verzug sind, bringen sie ihm ein paar Schlangen und er gibt ihnen Aufschub. Bringen Sie ihm doch auch welche. Er wird sich sicher freuen und Ihnen mit der Miete entgegenkommen, wenn Sie verstehen, was ich meine?«
    »Ja, ich sehl velstehen, blinge Hel Bílek Schlange, und el glücklich und ich scheene Wohnung.« Der exotisch aussehende Mann beugte sich abermals vor und schickte sich an zu gehen. Als er schon fast bei der Durchfahrt war, wurde Josef plötzlich bewusst, was für ein schlimmes Missverständnis passieren könnte, und er rief panisch: »Warten Sie, bitte!«
    Der exotisch aussehende Mann drehte sich um und Josef erklärte ihm aufgeregt: »Aber keine lebendigen Schlangen, ja? Ich meinte die aus Gummi! Die mag der Herr Bílek, verstehen Sie?«
    »Velstehe, velstehe, Gummi …«, beruhigte ihn der Mann und wollte gehen. Aber da bemerkte Josef, wie der Mann einen Gummischlauch mit dem Blick streifte, der im Eck des Hofes zusammengerollt auf dem Boden lag. »Warten Sie, bitte, warten Sie!!!«, schrie Josef erneut und der exotisch aussehende Mann blieb wieder stehen. Josef deutete auf den Schlauch und sagte zum Mann, als ob dieser ein kleines Kind wäre: »Schlauch ist nicht Schlange, verstehen Sie?«
    Der exotisch aussehende Mann nickte wieder, lächelte Josef an und sagte dann, als gäbe er ein orientalisches Rätsel auf: »Schlauch nicht Schlange, wie Bauch nicht Bange.«
    »Was brabbelt er da? Was für Bäuche? Was für Schlangen? «, hörte Josef hinter sich jemanden sagen, als der exotisch aussehende Mann bereits zum Tor hinausgegangen war. Das war Frau Háková, die dabei war, das schmutzige Wischwasser in den Gulli zu schütten. Aber Josef fiel plötzlich wieder ein, dass in ein paar Minuten die Schulglocken läuten müssten, und so schnappte er sich seine Tasche und ließ Frau Háková allein mit der Lösung des orientalischen Rätsels zurück.
    Das Stillleben, das die Frau Lehrerin für die Stunde der Kunsterziehung der 5a vorbereitet hatte, war wunderschön. Es bestand aus Weintrauben, Birnen, Äpfeln, Zwetschgen, Nüssen, Bratwürsten und noch einer ganzen Reihe anderer Wurstwaren.
    Die Frau Lehrerin hatte all dies in der Mittagspause im Supermarkt unweit der Schule gekauft. Sie dachte, so würde sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Kinder hätten ein Stillleben zu malen und sie hätte einen ordentlichen, mehrere
Tage reichenden Essensvorrat für zu Hause. Es zeigte sich aber, dass dies kein besonders glorreicher Einfall gewesen sein sollte.
    Während sie durch die Bänke ging und erzählte, dass die Maler früher ein Stillleben so echt malen konnten, das sogar so echt wirkte, dass jeder sofort Lust bekam, in ein solches Bild hineinzubeißen, nahm Máchal sie gleich beim Wort, schlich heimlich zu dem Tischchen mit all den Leckereien und stibitzte ein Würstchen. Danach schlichen auch die anderen zum Tisch, Hnízdil, Šíša, Helena Bajerová, Anežka, Sam, Eliška, Adam, Míša,
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