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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition)
Autoren: Anna Vovsova
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der Tür stand, mit einer Schale Kartoffelsalat
und einer Flasche Sekt in der Hand. Die Wangen von Frau Bajerová glühen vor Aufregung und an Helenas Daumen funkelt der Ring von Frau Kličková, beide stürmen herein und sagen: »So ein Ereignis muss doch gebührend gefeiert werden!« Josef bekam von dieser Vision tatsächlich eine heiße Stirn, doch zu seiner Erleichterung erklang eine völlig andere Stimme im Vorraum.
    »Saschenka, das war vielleicht ein Martyrium, aber jetzt bin ich endlich da!«
    Herr Klička, Vendula, Josef und die Schildkröte tauschten Blicke – diese dünne, ein wenig brüchige Stimme kam ihnen gar nicht bekannt vor. Josef und Vendula wussten zwar nicht, was das Wort Martyrium bedeutete, aber aufgrund des Tons dieser unbekannten Stimme kamen beide zu dem Schluss, dass es sich um etwas Schreckliches und ganz und gar Erschöpfendes handeln musste. Doch da rief Frau Kličková bereits: »Marta, Liebes, bist du es? Warum hast du denn nicht geschrieben oder hast angerufen? Wir hätten dich abholen können!«
    »Gestern Abend hab ich noch nicht geahnt, dass ich wegmuss! Doch am Morgen hab ich mir den Koffer geschnappt und schon saß ich im Zug. Ich wusste überhaupt nicht, wohin mit mir!«
    Herr Klička lugte in den Vorraum und sah Frau Kličková von hinten eine schmale Person mit zotteligen Haaren umarmen, neben deren Füßen ein riesiger Koffer stand.
    »Saschenka, wenn du wüsstest, wie unglücklich ich bin …« Daraufhin brach die unbekannte Stimme, die allen Anzeichen nach einer gewissen Marta gehörte, entzwei und fing an zu
schluchzen, sodass sich Herr Klička lieber wieder zurück ins Zimmer stahl.
    »Stell dir vor, er sagt zu mir, ich hätte kein lyrisches Wesen, ich wäre primitiv, konsumorientiert und könnte nicht kochen! Ich, und nicht kochen können!!!«
    Josef, Vendula und der Vater sahen einander an und um ihre Lippen zuckte es ein wenig. Marta kam ihnen trotz des Zetermordios ein bisschen ulkig vor.
    »Wir wollten in einem Monat heiraten, aber er hat eine andere! Wenn du sie sehen könntest, Saschenka! Hässlich wie die Nacht! Die Augen hätte ich ihr auskratzen können! Stattdessen hab ich meine Sachen gepackt und …«, der Redefluss stockte unter einer neuen Welle des Schluchzens und Frau Kličková beendete den Satz: »Nun bist du hier.«
    »Macht euch das etwas aus?«, piepste Marta verlegen.
    »Das macht uns gar nichts aus! Und jetzt komm rein, ich stelle dich meiner Familie vor«, sagte Frau Kličková resolut und führte ein solch armes, abgekämpftes und unglückliches Wesen herein, dass sich Josefs Herz verkrampfte.
    »Das also ist Marta, meine Cousine …«, sagte Frau Kličková stolz, als ob sie mindestens eine berühmte Schauspielerin oder eine Rennfahrerin hereingeführt hätte. »Unsere Omas, ja, ich glaube unsere Omas waren Cousinen. Und Marta bleibt jetzt einige Zeit bei uns. Ich mach ihr das Bett in deinem Zimmer«, sagte Frau Kličková und sah Vendula drohend an. Sie wollte mit diesem Blick irgendwelchen möglichen Protesten entgegenwirken. Vendula hatte aber wie durch ein Wunder gar keine Einwände, sie lächelte Marta sogar an. Und auch Marta gelang es, in ihrem vom Weinen geschwollenen
Gesicht ein Lächeln anzudeuten und sie fügte rasch hinzu: »Nur so lange, bis ich eine Wohnung und Arbeit gefunden habe.«
    Herr Klička musste sich wohl sehr überwinden, als er aufstand und höflich zu der zerzausten und ungeordneten Dame sagte, als wäre sie die Anmut in Person: »Ich bin Ladislav. Wie kommt es, liebe Cousine, dass wir uns noch nicht kennen?« Mit der Absicht, die ganze verweinte Atmosphäre aufzulockern, beugte er sich zu Marta und flüsterte so, damit es alle hörten: »Wahrscheinlich hat Saschenkas Familie Sie vor mir versteckt …«
    Marta lächelte Herrn Klička dankbar an, reichte ihm die Hand, und Josef fiel auf, dass sich Herr Klička vielleicht auch gar nicht so sehr überwinden musste, denn als er sich Martas verquollene Augen, die rote Nase und die von den Tränen verkrusteten Lippen wegdachte, musste er zugeben, dass sie etwas ganz Hübsches an sich hatte. Und in solchen Sachen kannte Herr Klička sich aus. Das Kanapee, welches er letztens von irgendeiner Müllhalde angeschleppt hatte, war auf den ersten Blick auch nichts Besonderes gewesen. Zu sehen waren nur rostige Federn, ein hässlicher Bezug, und ein angebrochenes Bein. Doch Herr Klička schaffte es binnen weniger Tage, daraus das anmutigste Kanapee zu machen, von dem die Familie
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