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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition)
Autoren: Anna Vovsova
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Anetka, Magdalenka, Jana, Nina, Matyáš, Eva, Filip, Lukáš, Markéta, Andula, Luboš, Tereza und der Vilém mit der Tonička … Fast alle Kinder schlichen zum Tisch und stibitzten auch ein Stück.
    Nur Josef schlich nicht nach vorne. Er war nämlich in ein Schreiben an Helena Bajerová vertieft. Noch nie hatte er so einen Brief verfasst und wusste daher nicht, ob er besser Liebe Helena, Teure Helena oder lieber doch Sehr geehrte Helena schreiben sollte. Schließlich schrieb er ganz einfach nur: Helena, komm nach der Schule in den verlassenen Garten. Wichtig! Aus dem Brief formte er ein kleines Quadrat und schickte es durch die Reihen bis zur hintersten Bank am Fenster, wo Helena saß. Aber im gleichen Augenblick, als sie den Brief öffnete, stand schon die Frau Lehrerin neben ihr.
    Fast alle Lehrerinnen haben die seltsame Vorliebe, fremde Post abzufangen und diese mit großer Freude vor der gesamten Klasse laut vorzulesen. Und die Frau Lehrerin Meruňka stellte keine Ausnahme dar. »So, so, wer schreibt dir denn?«, sagte sie und streckte die Hand aus, »wir wollen uns auch amüsieren.«
    Josef lief krebsrot an und stellte sich bereits vor, wie ihn alle auslachten. Helena aber steckte sich den Brief geistesgegenwärtig in den Mund und schluckte ihn hinunter. Zumindest sah es so aus, als ob sie ihn hinunterschluckte. Sobald sich die Frau Lehrerin nämlich angewidert von ihr abwandte, spuckte sie das Schreiben wieder aus, zwinkerte Josef verschwörerisch zu und deutete mit einer Kopfbewegung an, dass sie in den Garten kommen würde. Und schon ging ein Jaulen durchs Klassenzimmer: »Barbaren!!!«, denn die Frau Lehrerin erblickte, was von ihrem noch vor kurzem so schönen Stillleben übrig geblieben war: nichts, das heißt nur eine angebissene Karotte und die Schnur von der Jagdsalami.
    Den verlassenen Garten kannten nur die größten Insider von Břevnov. Josef hatte ihn zusammen mit Máchal, Hnízdil und Šíša vor ein paar Jahren auf einer ihren Touren rein zufällig entdeckt. Er war in keiner Karte eingezeichnet und es war ausgesprochen schwierig, in ihn hineinzukommen.
    Zunächst musste man durch eine dunkle Durchfahrt, dann so schnell wie möglich durch den Hof mit all seinen Pawlatschen – das ist so eine Art Außengang am Haus, über den man in seine Wohnung geht –, um in einen noch dunkleren Hof zu gelangen, an dessen Ende sich ein schweres Eisentor befand. Und dieses Tor führte zu einem überraschend breiten und hellen Platz, der zwischen den hinteren Häusertrakten und einer hohen Mauer lag. Dort wuchsen zwar ein paar Kastanien, doch das war noch nicht der verlassene Garten. Zum Garten konnte man nur gelangen, wenn man über die Mauer am Ende des Platzes stieg. Und dort, zwischen ein
paar alten Zwetschgen-, Apfel- und Birnenbäumen, mitten im mannshohen (zumindest was Josef betraf) Gras stand eine verwitterte Gartenlaube aus Holz.
    Am Anfang gingen die Jungs nur selten hin. Es war nicht gerade angenehm, so viele beengende Höfe durchqueren zu müssen. Erst als Josef am nördlichen Ende des Gartens eine kleine verrostete Tür entdeckte, kamen die Jungs öfter hierher.
    Diese Tür wurde von einem großen und dichten Himbeerstrauch verdeckt, weshalb es nicht so einfach war, durchzukommen. Josef musste für die Entdeckung seine neue Hose und ein T-Shirt, das er von Vendula geerbt hatte, opfern. Um Letzteres tat es ihm überhaupt nicht leid – es war rosa mit Blümchen, auch wenn Frau Kličková behauptete, es wäre überhaupt nicht rosa, sondern beige, und die Blümchen wären gar keine, sondern sehr gefährliche fleischfressende Pflanzen. Schließlich war er doch mühsam zu der Tür gelangt und als er sie öffnete, stellte er fest, dass er sich in der Nähe der Bělohorská-Straße befand, jener Straße, in der er oft Olík Spazieren führte. Und genau durch diese Tür entschwand er unauffällig nach dem Nachmittagsunterricht.
    In seiner Hosentasche knetete er das Taschentuch mit dem Ring, lief von Baum zu Baum und wartete auf Helena Bajerová. Die Jungs hatten ihr in einem schwachen Moment gleich zu Beginn des Septembers von der geheimen Tür erzählt, daher wusste sie, wie man in den verlassenen Garten gelangen konnte.
    Josef ahnte, dass er nicht allein im Garten war, als in den Büschen auf der südlichen Seite drei Augenpaare aufblitzten. Und er täuschte sich nicht. Máchal, Hnízdil und Šíša konnten
sich doch so ein Schauspiel nicht entgehen lassen, bei dem Helena Josef auslachen und ihm statt
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