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Joschka, die siebte Kavallerie

Joschka, die siebte Kavallerie

Titel: Joschka, die siebte Kavallerie
Autoren: Joachim Masannek
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Aus solchen Dingen hielt er sich immer heraus. Aber nicht, weil er feige war, sondern weil er uns respektierte. Er hielt uns nicht für eine Kindergarten-Fußballmannschaft. Für Willi waren wir gefährlich und wild.
    „Was ist? Bist du bereit?“, fragte er mich, so als hätte ich die ganze Zeit auf ihn gewartet.
    Aber ich hatte geheult. Ich war absolut, unendlich verzweifelt.
    „Bereit wozu?“, wollte ich wissen und schaute zum Horizont.
    Dort sah ich die letzte rosa Wolke verschwinden. Sie wurde gelb. Schwefelgelb und dann bekam sie einen Stich Grün. Giftgrün! Die Farbe von Staraja Riba. Ich schluckte und schaute zu Willi.
    „Bereit wozu? Willi, wir haben verloren!“
    „Das stimmt“, nickte Willi. „Es sieht ganz danach aus.“
    Er musterte mich, schob seine Baseballkappe zurück und kratzte sich an der Stirn. „Es sei denn. Es sei denn?“
    „Es sei denn was?“, wollte ich wissen und setzte mich auf.
    „Es sein denn, du weißt, wer mein Lieblingsheld ist“, antwortete er. „Mein Lieblingsheld aus meinem Lieblingsbuch. Dem Gruselbuch über die Hexe Staraja Riba und den Allmächtigen Pink.“
    „Das ist dein Lieblingsbuch?“, fuhr es aus mir heraus.
    „Ja. Wieso?“, fragte Willi verblüfft.
    „Weil ... weil ... weil das auch mein Lieblingsbuch ist!“, stotterte ich.
    „Wirklich? Das gibt es doch nicht!“, rief Willi begeistert. „Aber dann kennst du ihn ja. Dann musst du ihn kennen. Ich rede von Chradadadatsch.“
    „Den Ritterclown- und Fußballprofipiloten? Und ob ich den kenne. Er ist mein Lieblingsheld.“
    „Das ist ja fantastisch!“, rief Willi begeistert. „Er ist auch mein Lieblingsheld. Und weißt du warum?“ Er machte eine bedeutungsschwangere Pause. „Weil er der Einzige ist, der die Hexe immer besiegt.“
    Willi grinste mich an, als hätte er mir den Stein der Weisen geschenkt. Doch ich wurde mit einem Schlag traurig.
    „Ja und!“, seufzte ich. „Das ist doch nur eine blöde Geschichte! Die hilft uns ’nen Dreck. Willi! Wilson Gonzales hat uns den Teufelstopf weggenommen. Er hat Camelot zerstört und ...“
    „... und er hat sich den Namen der Hexe auf seinen Arm tätowiert. Er steht sogar auf seiner Fahne.“ Willi schaute mich erwartungsvoll an. „Das ist, finde ich, keine blöde Geschichte.“
    „Ganz genau!“, schimpfte ich. „Das ist das Ende. Es ist alles aus.“
    Doch Willi schüttelte energisch den Kopf.
    „Nein. Das glaube ich nicht. Oder nein! So stimmt das nicht. Ich hab es geglaubt. Heute Nachmittag, als der Trikotkoffer leer war. Ja, und nach der ersten Halbzeit war ich fest davon überzeugt. Ich hab die sieben Kreuze auf dem Hügel gesehen und ich habe gedacht: Verfluchte Hacke! Jetzt gibt es die Wilden Fußballkerle nicht mehr. Doch dann hab ich Chradadadatsch getroffen. Ja, wirklich, in echt. Er stand plötzlich da, vor mir, in der Halbzeitspause, in der Kabine. Und er hat sich nicht einschüchtern lassen. Er hat sich gewehrt. Er hat uns unseren Mut wiedergegeben und dann haben wir doch noch gewonnen.“
    Meine Augen verfinsterten sich.
    „Willst du mich auf den Arm nehmen?“, fuhr ich ihn an.
    „Nein. Das will ich auf gar keinen Fall!“, versicherte Willi. „Dafür ist die Situation viel zu ernst. Aber du bist es nun mal. Du bist unser Chradadadatsch. Joschka, nur du kannst uns helfen.“
    Er wischte mir durchs Gesicht und zeigte mir das Ergebnis auf seinen Fingern. Sie waren gelb, grün, rosa und blau. Das waren die Farben, mit denen mich die Flammenmützen vom Fahrrad geschossen hatten.
    „Siehst du, was hab ich gesagt?“, lächelte Willi. „Du bist ein Clown. Du bist der Kleinste von uns und du bist so tapfer wie ein richtiger Ritter. Du hast dem blassen Vampir gezeigt, dass er uns ernst nehmen muss. Und du hast uns beigebracht, wie gefährlich es ist, wenn wir uns vor irgendjemandem verstecken.“
    „Aber was hat uns das denn gebracht?“, widersprach ich und wiederholte es zum dritten Mal. Irgendwann musste er es doch begreifen. „Willi, wir haben verloren. Wir haben alles verloren.“
    „Okay. Wie du willst. Dann hast du halt Recht“, nickte Willi und kratzte sich unter der Mütze.
    Er überlegte und grübelte. Doch dann stand er auf. Er drehte sich um und ging einfach weg. Ganz traurig ging er und mit hängendem Kopf. Aber dann fiel ihm doch noch was ein.
    „Halt! Einen Moment!“, wirbelte er zu mir zurück. „Joschka, begreifst du das nicht? Wir haben gar nicht alles verloren. Nein. Das haben wir nicht. Denn wenn wir alles
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