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Joschka, die siebte Kavallerie

Joschka, die siebte Kavallerie

Titel: Joschka, die siebte Kavallerie
Autoren: Joachim Masannek
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Dreck. Dort schlafen nur ihre Freunde und genau das ist unsere Chance. Deine Chance, Joschka. Du musst Wilson finden und dann nimmst du das Klebeband. Hier!“ Willi reichte mir die Rolle mit dem Tapezierband. „Damit fesselst und knebelst du ihn. Ja, und die anderen, die sonst noch neben ihm schlafen.“
    „Ja, und dann?“, fragte ich und der Felsbrocken auf meiner Brust wurde zu einem riesigen Berg.
    Ich hoffte, Willi würde jetzt sagen: ,Dann nimmst du deine Beine in die Hand und rennst ganz schnell wieder weg!‘ Doch das sagte er nicht. Willi schwieg. Er schaute mir in die Augen.
    „Ja, und dann?“, flüsterte ich und meine Knie wurden ganz weich.
    „Dann musst du dir etwas einfallen lassen. Du musst Wilson aufwecken und ihn dazu bringen, sich zu ergeben.“ Willi sagte das so, als ob er mich mit einer Einkaufsliste zum Supermarkt schicken würde. Doch die Einkaufsliste war so unglaublich lang wie eine Klopapierrolle und er gab mir für sie keinen Cent Geld.
    „Joschka! Ich weiß, das klingt völlig durchgeknallt. Aber du bist der Einzige, dem das gelingen kann. Deshalb musst du durch das Rohr. Selbst wenn es fünf Meter dick wäre. Selbst wenn dich durch dieses Rohr ein Reisebus in den Teufelstopf bringen könnte, wärst du der Einzige, der diese Aufgabe lösen kann. Joschka! Du bist unser Grusel- und Horrorbuchspezialist. Du bist Chradadadatsch. Dir wird ganz bestimmt etwas einfallen. Hier!“
    Mit diesen Worten reichte er mir den Wilden Kerl . Die Kuscheltierpuppe, die mir meine Mutter zum Geburtstag genäht hatte. Er reichte sie mir wie ein mächtiges Schwert, doch ich fühlte mich, als würde ich mit einem halben Meter langen Wattestäbchen in die Schlacht geschickt.
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Nein. Das kann ich nicht!“, flehte ich. „Willi!“
    „Und ob du das kannst!“, lächelte er. „Dafür leg ich meine beiden Beine ins Feuer.“
    Willi schaute mich an wie der beste Trainer der Welt. Doch mir kam es vor, als lägen wir zwei Minuten vor Schluss mit null zu zehn Toren zurück, und Willi würde mich mit den Worten auf den Platz schicken: ,Los, Joschka, du machst das schon. Du reißt das Spiel jetzt für uns noch herum.’

    Doch Willi sagte kein Wort. Er schaute mich immer noch an und schließlich blieb mir nichts anderes übrig. Ich packte den Wilden Kerl und das Tapezier-Klebeband und kletterte in das Rohr. Willi schaute mir nach. Er sagte immer noch nichts. Er wünschte mir noch nicht einmal Glück. Aber dafür hätte ich ihn in diesem Moment auch gehasst.
    Das Rohr war eng, glitschig und feucht. Wurzeln, Spinnweben und Algen schlugen mir ins Gesicht und brachten meine Fantasie dazu, Purzelbäume zu schlagen. Obwohl es ganz finster war, sah ich Schwärme von Käfern. Geisterhände griffen nach mir und Gespensterfratzen lachten mich aus. Doch ich biss die Zähne zusammen. Ich war Chradadadatsch, oder nein. Das hier war echt. Das war überhaupt keine Geschichte. Das passierte in Wirklichkeit. Ja, und deshalb war ich kein Clown! Nein! Ich war ich: Joschka, der Junge, der sieben Jahre alt war. Sieben Jahre und viereinhalb Tage. Und mein Spitzname war die siebte Kavallerie.
    Da wurde es hell. Ein bisschen zumindest. Der Nachthimmel erschien vor mir in einem kreisrunden Loch. Ja, und dann hatte ich das Ende des Horrors erreicht. Ich atmete auf. Ich kroch aus dem Rohr und befand mich – terro-touristischer Monster-Rex! – mitten in der Höhle des Löwen.
    Das Rohr endete direkt vor Willis Kiosk. Ich saß wie auf dem Präsentierteller. Von allen vier Türmen aus konnte man mich ganz deutlich sehen. Doch Willi hatte verflixt noch mal Recht. Die Flammenmützen -Wachtposten über dem Tor und auf den vier Türmen spähten nur aus dem Teufelstopf raus. Sie dachten gar nicht daran, zu mir hinzuschauen. Trotzdem ging ich in Deckung. Ich presste mich an die Kioskwand und schaute mich atemlos um. ,Wo ist dieser Gonzales? Wo sind diese Mistkerle?‘, hämmerte es mir durch den Kopf. Da sah ich die offene Wohnwagentür und ohne zu wissen, was ich dort machen würde, schlüpfte ich durch sie in den Wohnwagen hinein wie eine Maus in die Falle.
    Davon war ich fest überzeugt, doch ich hatte verflixt noch mal Glück. Bombastisch-touristisches Bärenbauchglück! Im Wohnwagen schliefen Wilson, Sexy James und Pickels nebeneinander. Die drei Köpfe der Gang. Sie lagen auf dem Fußboden, dem Tisch und dem Bett und träumten von ihrem Sieg. Ich konnte sie mit einem Streich kriegen. Blitzschnell und ohne zu
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