Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne
Autoren: 04 Die Krone von Dalemark
Vom Netzwerk:
Leute, aber natürlich traute es sich das genauso wenig, wie Mitt es gewagt hätte. »Ich wünschte, du würdest mir eine Büchse geben«, sagte Mitt. »Mit einer Büchse kann ich umgehen. Mit einem Schwert mache ich dir ganz bestimmt Schande.«
    Er dachte dabei daran, dass es gewiss viel leichter wäre, diese Noreth aus der Ferne zu erschießen, als so dicht an sie heranzukommen, dass er ein Schwert benutzen konnte. Doch kaum blickte er in das Gesicht des Waffenmeisters, als dieser Gedanke einen schnellen Tod starb. »So ein Unsinn, mein Junge! Büchsen müssen aus dem Süden eingeschmuggelt werden. Glaubst du, ich würde dir so was Teures anvertrauen? Und setz dich gerade hin! Wie ein Mehlsack hängst du im Sattel!«
    Mitt straffte den Rücken und trabte verdrossen zum Tor hinaus. Er konnte wirklich mit einer Büchse umgehen und sie instand halten. Sein Stiefvater Hobin stellte die besten Büchsen in ganz Dalemark her. Doch so oft er darauf hingewiesen hatte, es war ihm nicht gelungen, den Waffenmeister davon zu überzeugen. »Jawohl, Herr, lebe wohl, Herr. Endlich allein, Herr«, sagte er und winkte mit der Hand, die in einem flotten Handschuh steckte, als er schon zu weit weg war, um noch ertappt zu werden.
    Unter Hufgetrappel durchquerte Mitt die Stadt, die überall festlich geschmückt war – für das Fest, das er verpassen würde. Vor der Stadt ritt er auf dem hohen Steilhang entlang. Von hier sah die Sonne zwischen den schweren grauen Wolken und der grauen See wie ein goldenes Auge mit wulstigen Lidern aus, das sich gerade öffnete. Beim Reiten blickte Mitt auf die Bootsschuppen am Fuß des Steilhangs. In einem dieser Schuppen verbarg sich die strapazierte blaue Jacht, auf der sie nach Norden gefahren waren: Mitt, Hildi, Ynen und Navis. Ynens Boot. Und kaum waren sie eingetroffen, hatte die Gräfin begonnen, Pläne zu schmieden.
    Erst jetzt begriff Mitt, dass er wütend auf sie war, sehr wütend sogar. Diese Wut hatte indes etwas Eigenartiges an sich: Sie schien die Mauern niederzureißen, die ihn gestern noch umfangen hatten, und ihm Raum für Hoffnung zu verschaffen. Er würde Navis sehen, Ynens Vater. Navis war ein besonnener Mensch – ihm würde etwas einfallen. Navis wurde mit gräflichen Ränken leicht fertig, denn er war selbst der Sohn eines Grafen.
    Während er an Navis und an Ynen dachte, ritt Mitt zwischen der See und den steilen Feldern an den Hügelflanken über ihm hindurch. Dort hetzten sich Leute, um Heu zu machen, obwohl es ein Feiertag war. Ynen war jünger als Mitt und doch bewunderte Mitt ihn mehr als sonst jemanden. Ynen war … standhaft – ja, das war das richtige Wort. Seine Schwester Hildi hingegen…
    Nachdem zuerst Navis und dann Ynen Aberath verlassen hatten, waren Hildi und Mitt für einen kurzen Monat zusammen dort geblieben. Während dieser Zeit erhielt Hildi von der Rechtsgelehrten der Gräfin Nachhilfe in Recht, Geometrie, Geschichte und der Alten Schrift, damit sie die Aufnahmeprüfung für die Auentaler Rechtsakademie bestand. Als Rechtsgelehrte, sagte Hildi, könne sie sich stets ihren Lebensunterhalt mit eigenen Händen verdienen. Kein Beruf stand höher im Ansehen als der des Anwalts. Hildi neigte dazu, Mitt ein wenig von oben herab zu behandeln, weil er Schwierigkeiten hatte, auch noch Lesen und Schreiben zu lernen, während er die zahllosen Pflichten eines Gefolgsmanns in der Ausbildung erfüllte. »Ich werde dir Briefe schreiben«, hatte sie versprochen, als sie fortging, »damit du einen Grund zum Lesen hast.« Das Dumme war nur, sie hielt ihr Versprechen.
    Die ersten Briefe hatte Hildi in Schönschrift geschrieben und mit Neuigkeiten voll gepackt. Die nächsten paar waren hastig dahingekritzelt und erweckten den Eindruck, sie seien allein aus Pflichtgefühl heraus entstanden. Etwa zu dieser Zeit hatte Mitt genug gelernt, um sie erwidern zu können. Hildi beantwortete mehrere seiner Briefe, und zwar ausführlich, Punkt für Punkt, ohne es sich jedoch nehmen zu lassen, seine Rechtschreibung zu verbessern. Mitt hatte trotzdem weitergeschrieben – denn es gab viel zu erzählen –, doch Hildis Briefe wurden immer knapper und seltener, und jeder war schwieriger zu verstehen als der vorhergehende. Über einen Monat hatte er auf ihren letzten Brief warten müssen. Und was dann kam, las sich so:
    Lieber Mitt!
    Beim letzten Grittling machten die Jungs von Feenend eine Attacko mit Schälkerls, ist das zu fassen? Sie hatten sogar Erstlingsrecht, deshalb war alles kippig und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher