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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition)
Autoren: Alexandra Fischer
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Zukunft, in der er für alle Zeit der
Bukanier Émile Delahaye, Émile aus dem Ort Haye, sein würde.
    Er sah zu Jérôme auf und bemerkte auf einmal eine schnelle
Bewegung, die ihn aufmerksam werden ließ. Seine Nackenhaare
stellten sich auf, er verengte seine Augen und zog intuitiv
den Säbel. Alle Sinne schärften sich und Émile nahm die
Drehung bis ins Detail wahr. Sein Becken wirbelte nach
links, seine Oberarmmuskeln spannten sich, als er die Waffe
nach oben riss, und sein Kopf folgte der Richtung, aus der
er die Gefahr vermutete. Als er den Mund zu einem stummen
Schrei öffnete, taumelte Jérôme seitwärts. Blut spritzte aus
seiner rechten Schulter. Dann erst hörte Émile den Knall.
Kurz darauf roch er es. Das verbrannte Pulver, das ihn
husten ließ und ihm das Ziel vorgab. Endlich sah er ihn
auch. Die dunkelblaue Samtjacke mit den roten Umschlägen und
goldfarbenen Abnähern wies ihn als Offizier aus. Sein
Gesicht war zu einer Fratze verzerrt, und er hob eine zweite
Pistole, während er losrannte. Blitzschnell registrierte
Émile, dass er es nicht auf Jérôme abgesehen hatte, sondern
dass sein eigentliches Ziel Michel war. Der spanische
Offizier wollte seinem gefesselten Kapitän zu Hilfe eilen!
Émile sah die Köpfe der Brüder zucken, bemerkte die
Verwirrung in ihren Gesichtern und die Unschlüssigkeit, ob
sie es sich erlauben durften, ihre Aufmerksamkeit von den
spanischen Seeleuten abzuziehen. Gleichzeitig erkannte
Michel die Gefahr und tastete nach einer Pistole. Bevor sie
alle reagieren konnten, stach Émile zu. Nach einem kurzen
Moment des Widerstands glitt die Klinge in den Bauch des
Mannes. Mit einem pfeifenden Geräusch sog er Luft ein, und
Émile ließ den Säbel los. Sekunden verharrte der Offizier
völlig starr, während sich eine lähmende Stille über die
Galeone senkte. Dann brach er zusammen. Émile schnürte es
die Kehle zu und er trat von dem Sterbenden zurück. Die Welt
normalisierte sich mit einem Schlag wieder. Émile bemerkte
Jérôme, der auf dem Boden lag und Verwünschungen ausstieß.
    »Ich will verdammt sein und zur Hölle fahren! Unser
kleiner Émile hat den Mistkerl tatsächlich erdolcht«, rief
Michel in das Schweigen hinein und löste damit den Bann.
    Erst lachten die Brüder vereinzelt, bis sie schließlich
anfingen, zu johlen und Émiles Namen riefen. Verlegen
reichte dieser Jérôme die Hand und zog ihn auf die Beine. Er
vermied es bewusst, den toten Offizier anzusehen, der in
einer Blutlache neben ihm lag.
    »Teufel auch«, lachte Jérôme und umarmte ihn. »Was bist du
nur für ein verflixter Lump! Erst willst du die Weiber
retten und dann spielst du den Helden.«
    Auch Michel d’Artigny trat heran und hieb ihm derart auf
die Schulter, dass Émile schwankte.
    »Danke, Delahaye, ich schulde dir etwas«, sagte er. »Von
welchen Weibern redet ihr?«
    »Von denen unter Deck«, erklärte Jérôme. »Dort liegen zwei
gefesselte Indioweiber. Sind uns zufällig in die Hände
gefallen.«
    Lachend schlug sich Michel auf den Oberschenkel.
    »Habt ihr das gehört, Männer? Kein Wunder, dass die
Spanier ins Verderben gesegelt sind und wir leichtes Spiel
hatten. Sie haben Weiber an Bord!«
    Er schritt auf den angeketteten Kapitän zu und griente:
»Was sagt man dazu, du spanischer Prasser? Hast du die
Weiber nur zu deiner eigenen Unterhaltung mitgebracht oder
wurde deinen Offizieren dieselbe Ehre zuteil? Vielleicht
sind eure Gesetze etwas milder, aber in unserer Bruderschaft
droht demjenigen der Tod, der eine Frau, und sei es nur sein
Eheweib, mit an Bord bringt. Du hast dir das Unglück
eigenhändig aufs Schiff geholt und jetzt wirst du dafür
bezahlen. Dein Untergang und der deiner Mannschaft ist
besiegelt!« Michel spuckte dem Kapitän ins Gesicht, was
dieser mit einem unbewegten Gesichtsausdruck quittierte, und
wandte sich an Émile.
    »Holt die Frauen!«, befahl er. Die Männer jubelten.
    Begleitet von Jérôme machte sich Émile erneut auf den Weg
in den Frachtraum. Ihm war unwohl zumute, denn er wollte
nicht, dass den beiden Gefangenen etwas zuleide getan wurde.
Zu sehr hatte ihn ihre ausweglose Lage berührt. Beseelt
durch seinen unerwarteten Mut bat er Jérôme mit stummem
Blick um Gnade für die Frauen.
    Verständnislos schüttelte Jérôme den Kopf, während er den
am Boden Knienden die Fesseln durchschnitt.
    »Pass auf, um was du bittest, Émile. Man mag dir deinen
Wunsch aufgrund deiner Tat gewähren, aber
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