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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
Autoren: Alex Berenson
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verschwanden die Kurven der Straße in der Dunkelheit.
    Die Interstates waren für schlechte Fahrer gebaut, das wusste Wells. Für Großmütter auf dem Weg zum Einkaufszentrum und für Trucker, die schon einiges getrunken hatten
und nur noch nach Hause wollten. Die sanften Kurven verziehen viele Fehler.
    Trotzdem versuchte Wells, auch auf dieser Straße ans Limit zu gehen. Die geringste Kleinigkeit konnte ihn aus der Bahn werfen. Ein Waschbär auf der Suche nach Abfällen, ein Wagen, der die Spur wechselte, ohne den Blinker zu setzen, eine zerbrochene Flasche, die seinen Vorderreifen aufschlitzte und ihn über die Lenkstange hinweg in die Ewigkeit katapultierte. Eine törichte, nutzlose Art zu sterben. Und dennoch war er wieder hier in der Dunkelheit, so wie in der letzten Woche und in der Woche davor und in all den Nächten, in denen es Mitternacht und ein Uhr wurde und der Schlaf für ihn unbekanntes Territorium blieb.
    Der glatte, weiche Straßenbelag tröstete ihn. Die Geschwindigkeit vertrieb seine Gedanken, sodass nur noch Bruchstücke alter und neuer Lieder in seinem Kopf zurückblieben. Die Worte vereinten sich zu einem seltsamen Gedicht, an das er sich nicht mehr erinnern konnte, sobald die Fahrt vorüber war.
    Wells verringerte den Zug auf den Gasgriff. Sogleich sanken die Anzeigen auf dem Drehzahlmesser und Tachometer. Bei 120 km/h ging auch der Fahrtwind etwas zurück und verhallte das Springsteen-Lied in seinem Kopf.
    Von seinen früheren Ausfahrten wusste er, dass er sich nun einem Punkt näherte, an dem er aufpassen musste. Während ihn die Straße über einen niedrigen Hügel führte, verringerte er die Geschwindigkeit auf 95 km/h. Sobald die Bäume verschwanden, erglühte rechts von ihm der Parkplatz eines Einkaufszentrums im Schein überdimensionaler Laternen. Hinter einem blauen Müllcontainer standen zwei Polizeiwagen dicht nebeneinander. Mit heruntergelassenen Fensterscheiben erzählten einander die Cops wohl die ein
oder andere Geschichte, damit die Nacht schneller vorüberginge. Lange mussten sie nicht mehr warten, denn es war bereits kurz vor fünf Uhr früh und die Sonne würde schon bald aufgehen. Wells dachte an Exley, die nun allein in ihrem Bett lag und sich fragte, wann und in welchem Zustand er zurückkehren würde.
    Jennifer Exley war jedoch nicht nur seine Freundin, sondern auch seine Vorgesetzte bei der Central Intelligence Agency, für die er arbeitete als … Nun, als was er für sie arbeitete, war schwer zu sagen. Vor einem Jahr hatten Exley und er ein Komplott aufgedeckt, das den Terroranschlag vom elften September in den Schatten gestellt hätte. Jetzt lebte er wieder in Washington, allerdings – wie drückte man es höflich aus? – ohne Sinn und Ziel im Leben. Osama Bin Laden war ihm sicher nicht gut gesinnt, das stand fest. In einem einstündigen Kommuniqué, das sich Wells nicht einmal in voller Länge angesehen hatte, hatte Bin Laden jenem ewige Glückseligkeit versprochen, der ihn tötete. »Allah wird dem Märtyrer zulächeln, der diesen Ungläubigen in das Feuer der Hölle schickt …« Und so weiter und so fort. Aus praktischen Gründen konnte ihm die Al-Quaida jedoch nichts anhaben, zumindest nicht in den USA. So wartete Wells auf eine neue Mission, wenn er sich auch nicht vorstellen konnte, worin sie bestehen könnte. Für einen Schreibtischjob war er jedenfalls nicht geeignet.
    Inzwischen verbrachte er seine Tage mit drei Stunden langen Trainingseinheiten und seine Nächte mit freudlosen Vergnügungsfahrten. Exley hasste sie, und vor einer Woche hatte Wells ihr versprochen, dass es damit endgültig vorbei war. Er glaubte, die Wahrheit zu sagen. Aber heute Morgen war er nicht imstande gewesen, sich Einhalt zu gebieten. Exley hatte nichts gesagt, als er sich aus dem Bett rollte, seine
Jeans anzog und nach seinem Helm und der schwarzen Lederjacke griff, die im Alter von nur drei Monaten schon ziemlich mitgenommen aussah, nachdem ihn ein Lieferwagen von FedEx auf der Massachusetts Avenue abgedrängt hatte. Nein, Exley hatte keine Einwendungen gemacht und auch sonst kein Wort gesagt. Vermutlich liebte er sie gerade wegen ihres Schweigens so sehr, überlegte Wells.
    Aber nicht genug, um zu bleiben.
    Nun spannte Wells seine Schultermuskeln und sah auf die leere dreispurige Straße vor sich. Als er diesmal den Gasgriff drehte, zögerte er nicht, sondern zog ihn bis zum Anschlag zurück. Das Motorrad schoss davon, und plötzlich hörte Wells in seinem Kopf Just don’t play
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