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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
Autoren: Alex Berenson
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Plastikbeutel in seiner Tasche. Er wollte dieses Gespräch gewiss nicht führen, doch ihm blieb keine andere Wahl. So deutete er Choe, die Motoren nochmals abzuschalten. Das Phantom-Schnellboot lag nun still am Dock und hob und senkte sich mit den niedrigen Wellen.
    »Bevor wir aufbrechen«, begann Beck, während er den kleinen Beutel aus der Tasche zog, in dem sich drei Glaskapseln befanden, »hier noch die L-Pillen.«
    »L-Pillen?«, wiederholte Choe verwirrt.
    »L steht für letal«, erklärte Beck. Dass Choe immer noch nicht begriff, war ihm anzusehen. »Gift. Falls sie uns schnappen. Dann beißt du auf das Glas.« Er nahm eine Kapsel aus dem Beutel und tat, als wolle er sie in den Mund stecken.
    Choe stieß wütend etwas auf Koreanisch hervor und schlug mit der Faust auf das Armaturenbrett. Kang legte ihm die Hand auf den Arm, aber Choe schüttelte sie ab.
    »Er sagt, dass er sich nie selbst töten wird«, sagte Kang. »Er sagt …«
    »Nie, nie«, wiederholte Choe auf Englisch.
    »Er sagt, dass es eine Sünde ist.«

    »Ja, Sünde.«
    »In Ordnung«, willigte Beck ein. »Wie es ihm gefällt. Aber sag ihm, dass er ebenso gut wie wir weiß, dass uns niemand dort herausholt. Niemand wird für uns einen Gefangenenaustausch durchführen. Und die Nordkoreaner werden uns das Leben zur Hölle machen. Diese Pillen sind schnell und wirkungsvoll.«
    Kang übersetzte wie ein Schnellfeuergewehr.
    »Noch was«, fügte Beck hinzu. »Sag ihm, dass er sie zumindest bei sich tragen soll. Auf diese Weise hat er die Wahl.«
    Choe schüttelte den Kopf, stieß einen Schwall koreanischer Worte aus und wendete sich ab.
    »Er sagt, dass er es nicht tun wird«, sagte Kang. »Er sagt, es bringt schon Unglück, wenn man nur darüber spricht.«
    Beck ließ die Zunge über die Zähne gleiten. Er hatte einen fauligen Geschmack im Mund. Das kam wohl von den vielen Camels, die er tagsüber geraucht hatte. »Dann bleibt mir mehr. Willst du deine?«
    Kang streckte die Hand aus und Beck schüttelte die kleine, kaum eineinhalb Zentimeter große Kapsel aus dem Beutel in seine Handfläche.
    »Vergiss nicht, sie mir nachher zurückzugeben«, sagte Beck. »Du willst doch nicht, dass so etwas bei dir zu Hause herumliegt.«
    »Das sollte kein Problem sein«, gab Kang zurück.
    Beck steckte den Plastikbeutel mit den anderen beiden Kapseln zurück in seine Jacke. Dann prüfte er das nicht zu ortende Mobiltelefon, das er am Vortag gekauft hatte. Nur der Leiter der Station hatte seine Nummer. Wenn Langley die Mission abbrechen wollte, musste der Anruf über dieses Telefon kommen. Beck hatte jedoch keinen derartigen
Anruf erwartet und ihn gewiss nicht erhalten. Wieder sah er auf die Uhr: 17.30.
    »Fahren wir«, sagte er. »Auf nach Westen, junger Mann.« Die Koreaner bezeichneten das Gelbe Meer als Westmeer.
    »Zu Befehl, Skipper«, gab Kang zurück. »Eine Vergnügungsfahrt von drei Stunden, richtig?«
    »Ungefähr.« Beck summte das berühmte Thema der zitierten Serie Gilligans Insel, in der Hoffnung, damit das schlechte Karma aus der Kabine zu vertreiben, das die Kapseln verbreitet hatten. »Just sit right back and you’ll hear a tale, a tale of a fateful trip.«
    »Glaubst du, Ginger und Mary Ann werden uns in Pjöngjang erwarten?«
    »Hoffentlich finden wir das nie heraus.«
    Selbst wenn Choe verstanden hatte, lächelte er nicht. Stattdessen starrte er weiterhin aus dem Fenster. Dann drückte er den Fahrhebel nach vorn und das Phantom-Schnellboot glitt davon.

2
    Drink this and you’ll grow wings on your feet
    John Wells zog mit der behandschuhten rechten Hand den Gasgriff zu sich, sodass der Motor aufheulte, der Drehzahlmesser auf achttausend Touren schnellte und das große schwarze Motorrad vorwärtsschoss. Er beugte sich tief auf den eckigen Benzintank, um dem wilden Fahrtwind weniger Widerstand zu bieten. Dennoch hatte er Mühe, aufrecht zu bleiben. Die Honda war ein bulliges Motorrad, schwerer und breiter als ein echtes Rennmotorrad, und mitunter schien der Fahrtwind das Motorrad für seine Stämmigkeit bestrafen zu wollen.
    Wells hob den Kopf und sah auf den Tachometer. Einhundertfünfundvierzig. Ihm war es schneller vorgekommen. Der Highway schoss wie im Nebel an ihm vorüber und die Bäume neben der Straße verschwammen zu einem einzigen Blättercode. Er befand sich auf halber Strecke zwischen Washington und Baltimore, nicht gerade in einer ländlichen Oase, aber um 3 Uhr morgens war selbst die Interstate leer. Bei dieser Geschwindigkeit
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