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John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes

Titel: John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
Autoren: Alex Berenson
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von amerikanischen Spionen jenseits der Grenze.
    Für die Officer der Nachrichtenstelle in Bonifas war die Botschaft nur ein unverständliches Kauderwelsch, eine zweiundzwanzig Sekunden lange Aneinanderreihung von Einsen und Nullen. Aber sie wussten, dass sie etwas zu bedeuten
hatte, denn sie kam auf einer Kurzwellenfrequenz, die für Botschaften höchster Priorität reserviert war. Sie schickten die Ziffernfolge rund um den Erdball nach Fort Meade in Maryland, wo sich das Hauptquartier der National Security Agency befand. Von Fort Meade aus unternahm die mittlerweile decodierte Botschaft eine kürzere Reise quer über den Potomac in ein Büro im siebenten Stock des CIA-Hauptquartiers.
    Dort veranlasste sie Vinny Duto, den Direktor der CIA, einige uncodierte Flüche auszustoßen. Denn die Botschaft war kurz, einfach und alles andere als willkommen. Ihr Verfasser wollte die Demokratische Volksrepublik Korea, jenes landesweite Gefängnis, das man allgemein Nordkorea nannte, verlassen – und zwar sofort oder noch früher.
    Der eigentliche Name des »Verfassers« – wie ihn die Amerikaner nannten – lautete Sung Kwan. Dr. Sung Kwan. Er war Atomphysiker und arbeitete als Wissenschaftler am Nuklearprogramm Nordkoreas, was ihn zum wichtigsten Kapital der USA in Nordkorea machte. Die Beschreibung »Kapital« war etwas klinisch für Sung, denn immerhin war er ein Mensch und kein Spionagesatellit oder eine gut platzierte Wanze. Aber sie passte trotzdem. Denn Sung hatte den USA den genauen Ort genannt, an dem die Nordkoreaner ihre Atomwaffen lagerten – und diese Information war unbezahlbar.
    Die meisten Analytiker außerhalb der CIA vermuteten, dass Nordkorea seine Atombomben in tiefen Höhlen in der nordöstlichen Ecke der koreanischen Halbinsel verbarg, um sie vor amerikanischen Luftangriffen zu schützen. Sie irrten. Tatsächlich bewahrte man sie in einem Lagerhaus am Stadtrand von Pjöngjang auf, der Hauptstadt Nordkoreas. Denn Nordkoreas geliebter Führer Kim Jong Il wollte sie in
seiner Nähe haben, unter dem Schutz desselben Armeeregiments, das auch über seine persönliche Sicherheit wachte.
    Nun beobachteten die USA dieses Lagerhaus rund um die Uhr über ihre Satelliten. Und auf der USS Lake Champlain, einem Raketenkreuzer im japanischen Meer, war ein Dutzend Tomahawk-Raketen auf das Gebäude gerichtet. Sollte der Befehl dazu erteilt werden, konnten die Tomahawks das Lagerhaus innerhalb weniger Minuten in Trümmer legen. All dies verdankte man Sung. Und jetzt bat er um eine Sofortexfiltration. Kein Wunder, dass Vinny Duto verärgert war.
     
    Der Verfasser war ein vorsichtiger Spion. Er hatte sich nur dreimal mit amerikanischen Agenten getroffen und dies jeweils in Pakistan, außerhalb der orwellschen Überwachung der nordkoreanischen Geheimpolizei. Abgesehen davon hatte er mit der CIA ausschließlich per Kurzwellenfunk kommuniziert. Irgendetwas musste jetzt schiefgegangen sein. In seiner Nachricht sagte Sung lediglich, dass er um seine Sicherheit fürchte und glaube, Nordkorea verlassen zu müssen. Eine weitere Erklärung gab er nicht ab. Er werde am Dreizehnten des Monats um 11.30 Uhr bei Treffpunkt D sein, sagte er.
    In Langley versuchten die Officer am Nordkorea-Tisch, die Ursache für Sungs Hilferuf zu ergründen. Warum wusste er, dass er in Gefahr war? Hatte er einen Fehler begangen, hatte er sich irgendwie verraten? War er vernommen worden? Hatte man ihn vielleicht schon verhaftet und irgendwo angekettet, bis er verrottete? In diesem Fall war sein Hilferuf nichts als eine Falle. Ein SOS von einem Mann, der bereits untergegangen war, bedeutete nichts anderes, als dass man seine Retter in einen Hinterhalt locken wollte.
    Die CIA antwortete Sung mit einer eigenen Botschaft,
die ebenfalls über Kurzwelle übertragen wurde, und fragte nach näheren Einzelheiten. Aber Sung antwortete nicht. Während die Tage vergingen, blieb es in der Lauschstation in Bonifas still.
    Schließlich bestimmte Duto, dass die Agency ein Team zu Treffpunkt D schicken musste. Ohne den endgültigen Beweis, dass die Botschaft eine Falle war, durfte Langley Sungs Hilferuf nicht ignorieren. Die Agency versprach ihren Spionen immer, dass sie für sie da sein werde, wenn sie Hilfe bräuchten. Dieses Versprechen war sowohl eine moralische Verpflichtung als auch ein Mittel, um Spione anzuwerben. Jeder Spion wollte daran glauben, dass sein Führungsoffizier sein Risiko mit ihm teilte.
    Deshalb gingen drei Mann nach Nordkorea. Beck, der Anführer
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