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JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd
Autoren: Unbekannt
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entlang an den Aufzügen vorbei zum Notausgang. Über eine
Treppe liefen sie die Stockwerke hinunter, wie schon beim letzten Besuch des
Deutschen, ohne dass dieser das Wort an Dahlerus richtete. Selbst als Krauss
die Tür zum Erdgeschoss links liegen ließ und weiter zum Keller hinabstieg,
folgte ihm der Schwede. Eine innere Stimme sagte ihm, dass der Deutsche nicht
beabsichtigte, ihm ein Leid anzutun.
    Krauss öffnete die Tür zum Keller und hielt sie Dahlerus auf. Der Schwede
sah im schummrigen Licht überall gestapelte Kartons, wahrscheinlich mit
Vorräten gefüllt. Krauss ging zielstrebig weiter, um diese und jene Ecke,
kannte sich bemerkenswert gut aus. Vor einer schweren Holztür blieb er stehen,
öffnete sie vorsichtig, steckte den Kopf hinein. Offensichtlich war er mit dem
Ergebnis zufrieden, denn er forderte den Schweden auf hineinzugehen. Dahlerus
betrat den Raum, ein kühles, weitläufiges Gewölbe. An einigen Wänden türmten
sich Holzkisten, andere waren mit Regalen gepflastert. In den Gestellen lagerten
Flaschen, unzählige Flaschen, viele von ihnen staubbedeckt.
    Je staubiger, desto wertvoller, dachte Dahlerus. Sie
waren im berühmten, weil hervorragend ausgestatteten Weinkeller des Esplanade.
    Krauss schloss die Tür. Er kam ohne Umschweife zur Sache, sprach aber
bedrückt, wie einer, der die Folgen seiner Worte fürchtete. »Ich musste Sie
noch einmal treffen, Herr Dahlerus. Es hat mir keine Ruhe gelassen.«
    Der Schwede bemerkte, dass Krauss sich die linke Seite
hielt. »Geht es Ihnen gut?«
    »Ich bin angeschossen worden. Nichts Ernstes. Die Wunde verheilt gut.«
    Dahlerus wagte sich kaum auszumalen, was dieser Mann erlebt hatte. »Was
lässt Ihnen keine Ruhe?«
    Krauss zog sich eine Weinkiste heran und animierte den Schweden mit einer
Kopfbewegung, es ihm gleichzutun. Sie setzten sich.
    »Ich wollte mich unbedingt bei Ihnen bedanken und Ihnen sagen, dass es dem
Jungen gutgeht. Er ist in Sicherheit. Jetzt, wo die Deutschen in Polen
einmarschieren, ist diese Erkenntnis vielleicht ein Trost für Sie. Ein kleiner
nur, aber immerhin. Sie haben einen Menschen gerettet. Und ich bin der Meinung,
dass Sie das auch erfahren sollten.«
    Trotz dieser positiven Nachricht sah Dahlerus etwas in den Augen des
Deutschen, das ihn beunruhigte. Der Schwede konnte nur nicht genau sagen, was
es war.
    »Dann war die Nachricht also hilfreich, ja? Sie glauben ja gar nicht, wie
mich das erleichtert.«
    Krauss zögerte mit einer Antwort.
    Dahlerus hakte nach. »Oder verschweigen Sie mir
etwas?«
    Der Deutsche
wandte den Blick ab. »Es ist nicht alles so gelaufen, wie wir uns das
gewünscht haben.«
    Dahlerus spürte ein dumpfes Brennen in der Kehle. »Was soll das heißen?«
    Krauss faltete die Hände vor dem Gesicht. »Bitte, lassen Sie die Sache auf
sich beruhen. Der Junge lebt, es geht ihm gut, darauf kommt es an. Alles andere
ist Nebensache.«
    »Was ist passiert? Ist etwas schiefgegangen?«
    Krauss stand unvermittelt auf. Er streckte Dahlerus
die Hand hin. »Ich bin das losgeworden, was mir auf der Seele lag. Es ist Zeit,
dass wir uns voneinander verabschieden.«
    Dahlerus blieb
sitzen. Er sah zu Krauss auf, aber sein Ton duldete keinen Widerspruch.
»Setzen Sie sich.«
    Krauss blieb
einen Moment unschlüssig stehen, als habe er vergessen, weshalb er eigentlich
da war. Dann ließ er sich auf die Kiste fallen. Das Holz knirschte bedenklich.
    »Warum geben Sie
keine Ruhe? Sie haben dem Kind einen großen Dienst erwiesen, das muss doch
reichen.«
    »Ich habe ein Recht, alles zu wissen.«
    Krauss strich sich fahrig durch die Haare. »Es ist kompliziert.«
    »Das ganze Leben
ist kompliziert. Die Wahrheit ist dagegen meist unglaublich simpel.«
    Krauss lachte gequält. »Die Wahrheit. Seit wann geht es denn um die
Wahrheit? Die Wahrheit ist das, was wir aus ihr machen. Was ich Ihnen gesagt
habe, ist die Wahrheit. Der Junge lebt und ist in Sicherheit.«
    Dahlerus hatte mittlerweile einen Kloß in der Kehle. Sein Kopf glühte.
    Krauss wand sich
vor ihm, um nicht mit etwas herausrücken zu müssen, das den Schweden aus der
Bahn werfen könnte. Aber Dahlerus war es leid, nur mit Halbwahrheiten gefüttert
zu werden.
    »Ich will alles
wissen. Man hat mich wochenlang nur angelogen, bis ich Lügen und Realität
nicht mehr auseinander halten konnte. Ich bin es leid, schrecklich leid. Sagen
Sie mir die Wahrheit. Ich habe sie verdient.«
    Krauss rutschte auf seiner Kiste herum. Er sprach so leise, dass Dahlerus
Mühe hatte, ihn zu
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