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Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Titel: Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau
Autoren: Andrea Volk
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Mann und schlugen um uns. Wenn man die Ausdünstungen mitzählt, waren wir locker 80. Wie das aussah im Spiegel: Lauter Menschen, die synchron um sich schlagen, während ihnen Schweiß oder Kondenswasser in die Stirn tropft. Die modernen Sportoutfits haben an dem optischen Fiasko einen nicht unerheblichen Anteil. Konzipiert für Körper wie den von Regina Halmich, sah auch ich in meinem rosafarbenen »Allstar indoor cycle-Catsuit-BURN-FAT-AWAY-Anzug« eher aus wie ein Teletubby. Bloß gut, dass die Anderen auch nicht besser aussahen. Rechts von mir turnte ein ganz streng Behaarter, eine Art Ganzkörper-Schnauzer, der original seine Rapper-Hose in den Kniekehlen trug. Weiß gar nicht, wie der die Tritte hingekriegt hat, ohne umzufallen. Und an der einzigen Stelle, wo er keine Haare hatte, also auf dem Kopf, trug er eine Häkelmütze. Konnte mir dann doch nicht verkneifen nachzufragen: »Hallo Rapperboy! Wozu die Häkelmütze beim Turnen? Ist dir kalt? Wie kann dat denn, mit vier Pfund Wolle am Körper?« Zur Strafe hat er sich dicht neben mich gestellt und geschüttelt. Da konnte ich mir das Duschen sparen. Hab mir dann eins von den Handtüchern gegriffen, die auf dem Boden lagen. Dachte ich, dabei war das eine Jung-Muslimin im gottgefälligen Sportoutfit, die Liegestütze machte. Und wie ich da noch stehe und staune, brüllt der Trainer wieder los »Kick it, pump it, move it, shake it«, und wir dreschen wieder die Luft zusammen. Komisch. Alle reden von gewaltverherrlichenden Videos, aber keiner thematisiert Gewalt verherrlichendes Turnen! »Naja«, sag ich zu dem Häkelmützchen rechts, »ist doch astrein oder? Wenn ihr das nächste Mal vor der Hauptschule einen zusammenschlagt, könnt ihr das als Choreografie tanzen. Mit ein bisschen Glück wird so aus »Dick und Doof« die »Westside-Story«. Diesmal hat er mich in den Schwitzkasten genommen. Das war echt eklig. Wenn das jemand nachempfinden möchte: Nimm einen Flokati-Teppich, kippe einen Liter warmes Salzwasser drauf und wickele dich darin ein.
    Der Trainer unterbrach unser kleines Inning und brüllte: »Und drei und zwei und eins: High Impact«. Also schlugen wir wieder wie bescheuert um uns. Wehe, das nutzt meiner Taille nichts, dann nehm ich die für diesen Blödsinn in Regress. Endlich brach die Musik ab und ich schleppte mich Richtung Ausgang. Da ranzt mich doch der Trainer an: »Hey, drei, zwei, eins, du in dem rosa Ganzkörperkondo m – wo willst du hin?« Ich sag: »Schönen Dank, bin total erledigt, geh duschen.« Sagt der Trainer: »Das war gerade mal das Warm-up. Jetzt geht’s richtig los, hol dir mal schön eine Hantel-Stange und die 20-Kilo-Scheiben und drei, zwei, ein s …« Ich sag: »Hall o – der Trainer kann bis drei zählen und turnen. Super. Was hattet ihr noch in der Schul e – Singen und Klatschen?« Der Trainer blieb ganz cool: »Eins, zwei, dre i – Teletubby hat 5 0 Liegestütze extra gewonnen.« Nun wurde ich stinkig: »50! Wo hast du Trainer gelern t – auf Guantanamo Bay? Und jetzt, wo die schließen, umgeschult oder was? Und? War beim Mossad nix mehr frei?« Prompt fühlte sich Häkelmützchen rechts von mir politisch verfolgt und nahm mich wieder in den Schwitzkasten. Oder anders gesagt: »Waterboarding mit Schweiß«. Da hat’s mir gereicht. Hab den Tanzkurs gewechselt und mach jetzt Tai Chi für Adipöse, das ist schön gemütlich. Es geht sehr viel um Entspannung, Energieströme und die eigene Mitte. Wobe i – wenn die Trainerin sagt »Findet Eure eigene Mitte«, gucken die meisten einfach in den Spiegel. Da ist überall ganz viel Mitte, bei manchen reicht die Mitte vom Kopf bis zu den Zehen. Hübsch anzusehen ist es, wenn wir diese Tai-Chi-Figuren tanzen. Zum Beispiel »Der weiße Kranich hebt seine Flügel«. Sieht bei den meisten von uns aus wie »Die fette Taube fällt gleich um«. Das Beste ist eigentlich die Sauna nach dem Fitness. Da liegen wir vom Adiopositas-Tai-Chi mit dem gewaltverherrlichenden Tanzkurs nackig auf den Holzbrettern der Brutzelstube. Sieht aus wie die Auslage vom Fischgeschäft. Da sieht man auch viel Elend. Bin nach dem Duschen in die Umkleidekabine. Hab mir die Haare vorm Spiegel geföhnt. Vermute, die haben deshalb überall Spiegel und Neonlicht, damit man die Notwendigkeit des Trainierens einsieht. Hab mich daher in ein Handtuch eingewickelt und im Spiegel beobachtet, wie sich eine Turnschwester aus der Dusche näherte. Die hatte eine Kurzhaarfrisur, aber dafür eine unfassbar voluminöse
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