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Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Titel: Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau
Autoren: Andrea Volk
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nun ihrerseits pikiert.
    »Wir singen ›Viel Glück und viel Segen‹, das kann man immer singen«, meint Worbel und zupft nervös an seiner Krawatte.
    »Oh«, schaltet sich Frau Meier aus der Buchhaltung ein, »Viel Glück und viel Sege n – das kann ich nicht.«
    »Aber der Text ist doch nicht schwer!«, sagt Worbel.
    Frau Meier verschränkt die Arme vor der Brust. »Ich kann ihn trotzdem nicht.«
    »Na gut«, sagt Worbel, »dann bilden wir jetzt Gruppen. Wer von Ihnen kann ›Viel Glück und viel Segen‹, mal aufzeigen.« Niemand rührt sich. »Das kann doch nicht sein, dass den jetzt keiner mehr kann!«, ruft Worbel empört. »Frau, äh, Meier, Sie können doch singen.«
    »Ja, aber das kann ich nicht singen«, ziert sich Frau Meier. »Können wir nicht lieber ›Kräht der Hahn früh am Morgen‹ singen?«
    »Nein«, sagt Worbel und seine Stirn-Ader beginnt zu pochen, »wir singen jetzt ›Viel Glück und viel Segen‹. Ich singe vor.« Er singt vor. Wir nippen am Schaumwein. Der Kuchen schweigt.
    »So«, sagt Herr Worbel, »fertig gesungen. Und jetzt alle im Kanon. Immer drei sind eine Gruppe, zählt mal ab. Frau Diebenhaus-Knöbler, wo bleibt denn die Frau Möller?«
    »Die hat doch einen Termin, Herr Worbel.«
    »Gut. Dann singen wir jetzt endgültig ohne Frau Möller. Wer dirigiert? Frau Meier, dirigieren Sie doch bitte mal.« Frau Meier stellt sich vor uns, hebt die Rechte und macht »mimimimimi«. Wir machen alle »mimimimimi«.
    Gegen Mittag verlasse ich die Geburtstagsfeier mit einem Ohrwurm. Der süße Wein verlangt nach einem salzigen Fisch, also gehe ich zu Nordsee. »Guten Tag, ich hätte gern Matjes mit Kartoffeln.« Liegt es am Schwips oder knollt sich die Nase der Fischfachverkäuferin? »Matjes heute nur im Brötchen.«
    »Aber ich möchte kein Brötchen. Ich möchte Kartoffeln«, sage ich.
    »Leider«, sagt die Fischfachverkäuferin, »Matjes heute nur noch im Brötchen.«
    »Gut«, sage ich, »dann nehme ich den Matjes im Brötchen und schmeiße das Brötchen weg.«
    »Bitt e – wie Sie wünschen. Anja, die Matjesbrötchen sind alle. Machst du bitte mal eben eins für die Dame. Was? Anja sagt, die Brötchen sind alle, nehmen Sie Matjes auch im Baguette?«
    An Tagen wie diesen könnte ich es mir schenken, trotzdem frage ich: »Machen Sie doch mal was ganz Verrücktes. Behalten Sie das Baguette und geben mir stattdessen Kartoffeln.«
    »Heut e – nu r – Matje s – i m – Brötchen«, sagt die Fischfachverkäuferin und ihr Blick durchbohrt mich wie ein Schwertfisch.
    »Aber Brötchen sind doch alle«, argumentiere ich.
    »Wollen Sie nun ein Matjesbrötchen oder nicht?« Ich nicke ergeben. »Anja, machst du der Dame bitte ein Matjesbaguette.«
    Und schon geht’s weiter zu einem Glamourgirl-Geschäftstermin. Mit den Partylöwen des Zentralverbandes der Bundesversicherungen. Frau Knecht und ich sollen im Rahmen unserer Spaßprostitution ein Schulungs-Incentive versüßen. Thema: »Standing motivatio n – das Verkaufsgespräch im Stehen«. Ich betrete einen Konferenzraum voller Knollennasen. Der Vorsitzende hebt an: »Willkommen, liebe Kollegen vom Zentralverband der Bundesversicherungen, unser Incentive ›Standing motivation‹ soll das aktiv e …« Weiter kommt er nicht. Baden-Württemberg meldet Bedenken an. »Ei, äbe zuersch demol möscht isch den Begriff ›schdänding modiväische‹ disgudiere. ›Schdänding modiväische‹. Ts. Desch heischd für misch net im Stehe modiviere. Desch heisschd, desch die Modivadsion schdehd. Desch kei Modivadion do isc h … und desch heischt in letschder Konsequensch: Des Geschäft schdehd, isch dod.« Mir ist, als höre ich ein Loriot-Stimmchen kichern. Ach das bin ich ja selbst.
    »Naja«, sagt der Vorsitzende und lächelt nervös, »gemeint ist aber, das Verkaufen im Stehen ist energetischer, motiviert den Kunden zum Abschluss. Man steht ihm quasi auf den Füßen«, lächelt er und hebt vor lauter Metaphorik die Hände. »Genau«, souffliert sein Kofferträger zur Rechten, »Stichwort Füße: standing motivation, also das stehende Motivieren, ist außerdem ergonomischer, wegen dem Rücken. Nennen wir das Kind doch ›Ergonomic modivation in upright position‹.«
    Der Stuttgarter zieht eine Schnute und schmeckt den Satz nach. »Ergonomic motiväische in abrei t … ei, da kann sisch kei Sau was drunnä vorstelle.« »Nun«, sagt der Vorsitzende, um Einvernehmen bemüht, »dann ist unser Motto ebe n … Ergonomic motivation for growing sucess.«
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