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Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Titel: Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau
Autoren: Andrea Volk
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Hallo geben bei Tante Irmelas Geburtstag.
    Zwei Stunden später
    Liebes Fahrtentagebuch. Tante Irmela wird offenbar senil. Sie hat nicht mal so getan, als würde sie sich über ein Fläschchen Super plus freuen. Onkel Walter dagegen trumpfte mit seinem blöden Fläschchen Chanel No . 5 auf. Habe mir aus Trotz vor allen Augen ein paar Tröpfchen Super plus hinters Ohr getupft.
    30 Minuten später. Feierabendverkehr
    Stehe im Stau und stinke nach Benzin. Neben mir knallbunter VW-Bus, am Steuer: Freakfrau mit Rasta-Zöpfen. Vom Beifahrersitz aus guckt ihr Jesus-belatschter Freund anklagend in die Welt. Habe aus Langeweile rübergerufen: »Na ihr Klischeebeulen?! Wer hat denn euren VW-Bus so schön bunt angemalt? Ein Rudel bekiffter Sechstklässler? Oder die Anfängergruppe ›Mit Füßen malen lernen‹? Oder, ach nee, ich weiß: Direkt neben eurem Auto ist ein Dixie-Klo explodiert.«
    Weiß jetzt, dass ich asozial, retro und frauenfeindlich bin.
    30 Minuten später
    Liebes Fahrtenbuch. Stau, Stau, Stau, Stau, Stau und nix im Radio. Nur Xavier Naidoo. Xavier Kurt Naidoo, um genau zu sein. Christliche Heulsuse. Was singt er da? »Spürst du die Vorhaut?« Eklig. Ach, er meint Vorhut. Und reimt das auf Frohmut. Der hat doch vom Weihwasser genascht. O mein Gott. Jetzt auch noch Silbermond. Der Radiomoderator hat wohl Liebeskummer. Neue deutsche Befindlichkeit. Was ist aus ehrlichem Rock ’n’ Roll geworden? Haben die sich denn alle zu Tode gefixt, außer den Rolling Stones? Naja, die haben ja auch eine Payback-Karte von der Betty-Ford-Klinik. Drehe weiter am Radio-Knopf. Auch noch ›Der kleine Nils‹. Telefonstreich plus grenzdebiler Kinderstimme. Lacht da noch irgendjemand drübe r – außerhalb der psychosomatischen Klinik? Radio aus. Wenn ich schlechte Laune kriegen will, schaff ich das auch alleine. Da fahr ich einfach nur tanken.
    Köln, besser wäre Rimini oder Mauritius, meinetwegen auch Malle oder notfalls die Eifel, 2 . Juli, Regen

    Blödes Wetter. Blöder Sommer. Blöder Regen. Frau Knecht und ich schlagen uns so durch. Es ist wirklich an der Zeit, in den Urlaub zu fahren. Aber wovon? Die Einkünfte unserer aktuellen Dinner-Shows decken kaum die Unkosten. Nachdem sich Gema, Finanzamt (Enteignung, Sozialismus!), Gaststar und Techniker bedient haben, bleibt für Frau Knecht und mich wenig mehr als ein feuchtwarmer Händedruck. Und von wegen der Künstler lebt vom Applaus. Die Komplimente halten sich sehr in Grenzen. Weiß nicht genau, wie ich es finden soll, wenn ein 14-jähriger Gangsta-Rapper, den seine Eltern gezwungen haben mitzukommen, zu uns sagt: »Ey, voll geil, ihr seid ja total krank.« Und seine Eltern, die nicht mal in der Lage sind, das Kind zu vernünftigen Komplimenten zu erziehen, nicken und sagen: »Da hat er Recht, der Justin-Marvin, das war toll, Sie kommen bestimmt mal ins Fernsehen. Es läuft doch so viel Mist im Fernsehen, da können Sie doch auch mal was machen!«
    Ich glaub, ich fahr in’ Urlaub. Irgendwie ist warmer Regen nicht Sommer genug. Außerdem ist Sommerloch, kaum Aufträge und auf meinem Konto herrscht eine geradezu biblische Dürre. Aber wovon soll ich in den Urlaub fahren? Und mit wem? Mein Freund Frank ist mit seinem Motorrad unterwegs auf einer sogenannten Herrentour, wo sie zwei Wochen im Regen zelten und sich von Dosenbier und rohem Fleisch ernähren. Bleibt Frau Knecht, die sehe ich eigentlich schon oft genug. Außerdem will die nicht, hab schon gefragt. Mit meiner Familie? Den Verrückten? Mein Bruder Henning mit seinen Piercings, den schwarzen Klamotten und den langen Haaren sieht aus wie Vetter Itt von der Adams Family. Den müssen wir doch immer im Wagen lassen, wenn wir wegen eines Zimmers fragen. Und erst der Sheriff, mein Vater. Er heißt Sheriff, weil er immer recht hat und jederzeit bereit ist, das durchzusetzen. Mit meiner Familie in den Urlaub? Wenn ich da nur an Italien letztes Jahr denke, graust mir schon.

5 Italienische Reise
    heißt ein Werk des Dichterfürsten Goethe, in dem er seine Reise nach Italien im 18 . Jahrhundert beschreibt. »Wir fahren nach Sardinien mit alle Mann«, sagte der Sheriff zwei Jahrhunderte später, im vorigen Sommer. Auf den ersten Blick haben der Dichterfürst und der Duisburger außer einem D wenig gemeinsam. Der eine ist mein Vorbild, der andere mein Vater.
    Und doch sind Goethe und Sheriff seelenverwandt. Vereint in der Liebe zur Literatur. Goethe schrieb Bücher, der Sheriff stützt seinen Fernsehsessel damit ab. Und beide
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