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Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Titel: Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau
Autoren: Andrea Volk
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Welt wieder in Ordnung war, vertiefte er sich wieder in seine Zeitung, wir anderen vertieften uns in unseren Schnaps. Ich warf ein paarmal das Glas um. Goethe blieb zwei Jahre in Italien. Uns haben sie nach zwei Wochen wieder rausgeschmissen.
    Köln, 10 . Juli, Wetter: Feuchtgebiete, Unterwäsche: sauber
    Wohin, wohin. Noch eine Baustelle bei 4 5 Grad im Auto und subtropischen Verhältnissen und ich dreh durch. Brauche dringend karmische Gelassenheit. Überlege, Konto zu überziehen und eine esoterische Gruppenreise zu buchen, voll im Trend: »Finde dich selbst, wenn’s schon kein anderer machen will«. War letztens bei so einem bewusstseinserweiternden Tanzkurs: »Trommeln und Tanzen für Frauen von Frauen in Flip-Flops«, cool. Die Turnhalle oder das Dance-in, hieß das glaube ich, war dekoriert wie eine überdimensionale Gebärmutter, überall fleischfarbene Lappen an der Wand, um die Ecken zu kaschieren, einfach toll. Die Blut-Gerinnsel waren täuschend echt nachgebildet. In der Umkleidekabine (einige nannten sie ›Umkleidekabinin‹) lagen lauter Reiseprospekte: »Du und dein Traumstein auf Lanzarote«, »Muscheln sammeln im Mondlicht von Sylt« und »Auf dem Weg zur Großen Götti n – ein Reisebericht.« Da gibt es Agenturen, die solche Reisen vermitteln, und ehrlich gesagt, war ich bis gestern kurz davor, »Die Reise zum inneren Kind« auf der dänischen Insel Langeland zu buchen, als mir eine von den Flip-Flops, die wohl in so einer Eso-Reise-Agentur arbeitet, wortlos einen Briefwechsel in die Hand drückte. Ganz stiekum, damit es keine von den anderen Erleuchteten merkt. Also das war doch recht aufschlussreich, was diese Sylvia Klingenberg-Pomanski da schrie b …

6 Die Reise zum inneren Kind
    Sehr geehrte Agentur »Urlaub im Licht deines Schattens!«
    Ich bin eine spirituell interessierte Menschin aus Köln, mein Name ist Sylvia und ich arbeite auf einem Pferdehof. Diesen Sommer buchte ich bei Ihnen die Gruppenreise »Entdecke dein inneres Kind«. Voller Vorfreude reiste ich auf einen 15 0 Jahre alten Bauernhof, um mic h – wie Sie schriebe n – vom Atem der Geschichte anwehen zu lassen. Eins vorweg: Der Atem der Geschichte hatte ordentlich Mundgeruch und wehte aus dem Hals des Hofbesitzers, der uns unsere »schlichten, aber spirituellen Unterkünfte« zeigte. Diese entpuppten sich als fünf Boxen im Kuhstall, über dessen Eingang der Hofbesitzer »Ashram« gepinselt hatte. Abgesehen davon, dass mein Futtertrog schmutzig war, spürte ich sehr deutlich, dass die Kuh, die hier vor mir gelebt hatte, nicht glücklich gewesen war. Ich habe ein feines Gespür für sowas.
    Der »Atem der Geschichte« umfing mich erneut, als uns der Hofbesitzer offiziell begrüßte. Es war nicht so sehr der Geruch, der mich störte, als vielmehr das Brennen in den Augen. Recht verloren stand unsere fünfköpfige Reisegruppe im Hof: meine Wenigkeit, dann Herr Berensen-Halberkorn, Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes, zwei Damen aus Stuttgart und eine aus Dresden. Die aus Dresden redete ununterbrochen über ihre Grenz-Erfahrungen. Das ist ja wohl als Ostdeutsche keine Kunst, Pff.
    Der Hofbesitzer behauptete dann, der Schamanenpriester von Langeland zu sein, und verlangte, dass wir zur Begrüßung unsere Namen tanzen. Das muss man sich mal vorstellen. Kein Willkommenstee, kein Trommel-Ritual oder wenigstens eine yogische Darmreinigung. Stattdessen tanzten wir im zugigen Hof unsere Namen, dass die Chakren nur so bebten. Alleine Herr Berensen-Halberkorn brauchte eine halbe Stunde, um sich vorzustellen, weil er mit Vornamen Wolfgang Adalbert Maria heißt. Während sich Herr Berensen-Halberkorn gerade mit dem Bindestrich in seinem Namen abmühte und dazu mit einem ausgestreckten Arm und Bein balancierte, konfiszierte der Herr Schamanenpriester unsere mitgebrachte Schokolade als angeblich »unreine Nahrung«. Pah, da hätten Sie mal das Abendbrot sehen sollen.
    Das gab es erst, als sich »Önnemörie Schlögel us Dräsdän« endlich durch alle Vokale gegrätscht hatte. Einen zähen Hasenbraten. Die Hausherrin erzählte, dass der Hase dem Haushalt lange treu gedient hätte. Er hieß Minka und fing Mäuse. Mir kam das für einen Hasen sehr komisch vor.
    Zum weiteren Verlauf der Reise lege ich Ihnen meine Tagebuchaufzeichnungen bei mit der Bitte, den Hofbesitzer damit zu konfrontieren. Noch heute tut mir mein Rücken vom Namen-Tanzen weh. Hochachtungsvoll Sybille Anita Klingenberg-Pomanski alias Luna Stella Aus Luna Stellas
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