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Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Titel: Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau
Autoren: Andrea Volk
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festhalten musste. Die würden uns so schnell nicht vergessen: den blau karierten, angetrunkenen Sheriff, dem die Hose um die Knöchel flatterte, mich (ich behielt extra meine dunkle Riesensonnenbrille auf, damit die Hotelgäste denken, ich wäre ein Star inkognito, mit dem Ergebnis, dass ich nach der Anmeldung festen Schritts mit meinem Koffer in die Toilette ging, dort mehrfach auf den Lichtschalter neben der Tür schlug und dann in gebrochenem Italienisch in die Hotelhalle plärrte, warum der Aufzug nicht funktioniert) und nicht zu vergessen meinen Bruder Henning (Vetter Itt) und seine Gothic-Freundin nebst diversen baumelnden Kreuzen, Schlangen, Teufelshörnern und großflächigen Tätowierungen. Hennings Freunde sahen ebenfalls recht bemerkenswert aus, im Gesamteindruck würde ich sagen, die Italiener hielten uns für eins dieser modernen Rehabilitations-Experimente, wo man seine Problemfälle ins Ausland exportiert.
    Ich ging mein Zimmer suchen, knallte wegen der dunklen Sonnenbrille unterwegs gegen Erker, Vorsprünge und Türen und erwischte offenbar das falsche Zimmer. Jedenfalls sollte ich von irgendjemand den Ring küssen. Von sowas wird mir immer schlecht, deshalb lehnte ich dankend ab. Endlich fand ich mein Apartment. Von meiner Familie keine Spur, Glück gehabt. Ich ging schwimmen in den Hotelpool. Und da war sie wiede r – die berühmt-berüchtigte italienische Amore: Am Beckenrand zog ein ältlicher Gigolo alle Register italienischer Verführungskunst. Er sang, pfiff, klatschte in die Hände, zog seinen Bauch ein, nahm die Schultern zurück, fuhr sich durch die Haare und schlug zu guter Letzt ein Rad aus Brustpelz. Ich setzte meine dunkle Sonnenbrille auf, was beim Schwimmen gar nicht so leicht ist, und knallte in Folge ein paarmal gegen den Beckenrand. Der ältliche Gigolo war weg und damit auch meine einzige Chance, ein Autogramm zu geben. Ich trocknete mich ab und ging zurück zu Don Sheriff und den anderen, die bei fünfzehn gemütlichen Grappa in der Hotelbar hockten. Don Sheriff machte wieder seinem Namen als deutscher Dichterfürst alle Ehre und las die Bildzeitung. Was ihn nicht davon abhielt, gleichzeitig allen anderen auf die Nerven zu gehen, diese Kunst hat er in einem langen Ehe-und Berufsleben zur Vollendung reifen lassen. »Hömma Henning«, sagte der Sheriff zu meinem Bruder, der gerade im »Spiegel« schmökerte. Wenn Henning liest, ähnelt er mehr denn je Vetter Itt, weil er kurzsichtig ist und die langen Haare beim Lesen alle nach vorne fallen. »Mm h …«, antwortete mein Bruder und signalisierte durch Umblättern Kommunikationsunwilligkeit. Aber wenn der Sheriff ein Anliegen hat, duldet er kein Lesen. »Hier, hör mal auf, das Kommunistenblatt zu lese n … Ding s … wie Ihr alle heiß t … Guckt mal lieber da rüber zu dem da hinten, der Tisch am Fenster. Dem Italiener da.« Der Sheriff musste unbedingt wieder ein paar Vorurteile ausleben, ein bestimmtes Quantum braucht er am Tag. Er hob zur Tarnung seine Bild-Zeitung, linste aber über den Rand zu dem Mann am Nachbartisch, sodass er aussah wie ein zweitklassiger Detektiv. Wir linsten alle unauffällig mit. Insgesamt, würde ich sagen, waren wir so unauffällig wie ein Rudel nackter Buschkrieger mit Knochen in der Nase, nur dass einige von uns Silberstäbe im Gesicht trugen. »Guckt euch den Fatzke mal an«, flüsterte der Sheriff hinter seiner Zeitung. Laut genug, um es auch noch in der letzten Ecke der Hotelbar zu verstehen. »Unrasiert und dann noch Koteletts im Gesicht.« Armer Schweineschnitzel-Mann, dachte ich. »Und alles voll Gel in den Haaren, der klebt bestimmt. Italienischer Lackaffe.« Der Sheriff kann sehr tolerant sein, allerdings hat er nicht oft Lust dazu. »Henning, hör doch mal auf zu lesen jetzt!« Er klappte Hennings Zeitung zu, um sich besser unterhalten zu können. »Guckt doch mal hier alle«, der Sheriff linste jetzt links an seiner Zeitung vorbei, »wetten, der kann nicht mal seinen Namen schreiben? Wett’ ich. Mit so einer Frisur. Und Gel. Italiener. Die können nix. Sowas sehe ich auf zehn Meter.« Ich setzte wieder meine dunkle Brille auf und beschloss, sie bis zum Ende des Urlaubs aufzulassen. »Schön, Papa«, sagte Henning, »und jetzt sprich besser bisschen leiser, der Italiener mit den Koteletts im Gesicht liest nämlich eine deutsche Bildzeitung. Komisch, ne?« »Ach naja«, sagte der Sheriff salomonisch. »Vermutlich gibt’s hier sonst nichts Anständiges zu lesen.« Zufrieden, dass die
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