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Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Titel: Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau
Autoren: Andrea Volk
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Wachsfigur: »Sie wünschen?«
    Ich komme mir vor wie auf der Geisterbahn, bezahle 2 0 Euro, Wachsfigur stempelt ebenfalls auf dem Zettel herum, und sowie ihr Stempel das amtliche Anmeldeformular zum letzten Mal berührt hat, fällt sie zurück ins Koma und Augenbraue links erwacht zu neuem Leben. Es muss am Stempel liegen. Gespenstisch.
    Während Augenbraue meine Personalien in den Computer hackt, rufe ich Frau Knecht an, einfach nur um die Stimme von jemandem zu hören, den ich nicht unter »Die Körperfresser« einordne. »Hallo«, sage ich leise und eingeschüchtert, »ich bin noch hier. Auf dem Amt.« Klingt wie ein Geisterfilm. Die toten Augen der tausend Formulare.
    Frau Knecht ist gewohnt resolut. »Immer noch?! Sag mal, was machen die denn da den ganzen Tag? Kraulen die sich gegenseitig den Rücken?« »Eher nicht, unwahrscheinlich«, antworte ich und stellte mir vor, wie eine dicke pelzige Augenbraue über den bleichen Rücken der Wachsfigur krabbelt. »Va fanculo«, sagt Frau Knecht, »du vergeudest einen halben Tag für eine simple Adressänderung?« »Selbstverständlich«, sage ich, »ganz genau.« Augenbraue hört zu, da bin ich mir sicher. »Ich kotz gleich ins Essen«, sagt Frau Knecht. »Dieser Meinung würde ich mich unbedingt anschließen«, antworte ich.
    Augenbraue wird es wohl zu bunt: »So Frau Volk, und nu n …« Was auch immer ›nun‹ geht im Klingeln des amtlichen Telefons unter. Die bleiche Wachsfigur am anderen Schreibtisch dreht misstrauisch den Kopf. Irgendwo muss sie ein Gewinde haben. Augenbraue starrt finster aufs Telefon, aber das hört einfach nicht auf zu klingeln. Und ich sitz dabei als Zeuge. Gemütlich lehne ich mich zurück. Augenbraue gibt auf und hebt ab. »Stadt Köln, Gewerbeamt, wat? Englisch? Äh, yes. So, what you have? A restaurant? I can say you n o … n o … you come her e … you come here, if not you pay. My boss? Yo u … ä h … fresch??« Sie knallt den Hörer auf. »Philippinen. Aufdringliches Volk.« Sie spricht nicht mit mir, natürlich nicht, sondern mit der Wachsfigur. Ich riskiere einen Blick, mit Frau Knecht am Hörer traue ich mich sowas, und ich will wissen, ob sich die Wachsfigur auch ohne Stempel in der Hand bewegen kann.
    »Zurück zu Ihnen!« Augenbraue hat keinen Bock mehr. Sie kneift die Augen zusammen und blickt auf das entsprechende Feld auf ihrem Computermonitor. »Was macht Ihre GbR überhaupt? KÜNSTLER? Kabarett?! Bei ihr hört es sich an wie ›Kakerlake‹. »Künstler. Bah. Die müssen sich doch gar nicht anmelden.« »Frau Knecht«, ich halte immer noch das Handy umklammert, damit es mich nicht plötzlich aus meinem Kosmos in die Welt der Körperfresser schleudert, »wir brauchen uns gar nicht ummelden, auch nicht anmelden, gar nix, sagt die Dame.« »Che quazo«, Frau Knecht flucht gerne auf Italienisch, das ist damenhafter als »Schwanzlutscher« zu sagen, »bist du sicher, dass die wissen, was sie tun?« Ich blicke auf und beobachte, wie sich die Dame vor mir die Augenbrauen hinters Ohr streicht, aus den Augenwinkeln sehe ich die Wachsfigur schmelzen, plumps, da fällt die Nase ab. »Selbstverständlich«, sage ich, »ganz bestimmt.«
    Köln, immer noch 21 . Juni, 16 Uhr nachmittags, Dauerregen
    So, angemeldet sind wir. Oder eben auch nicht, mir egal, meine staatsbürgerliche Pflicht ist getan. Beim Finanzamt hab ich uns ebenfalls umgemeldet. Bisschen blöd haben die schon geguckt, »Gesellschaft für Musik, Text und Blödsinn « – was soll das denn eigentlich sein? Aber letztlich ist es dem Finanzamt egal, wo die Kohle herkommt, italienische Mafia-Geldwäscher können ein Lied davon singen. Finanzamt. Vampire, Ausbeuter, Enteignung! Reichsbedenkenträger werden jetzt sagen: »Aber Frau Volk! Wo wären wir ohne das Finanzamt!« Das kann ich euch sagen. Alle auf den Bahamas! Ein Fahrtenbuch haben sie mir auch noch aufs Auge gedrückt. Da soll ich Kilometer, Zweck der Reise und wie viel Sprit ich kaufe eintragen. Fahrtenbuch liegt aufgeschlagen auf dem Beifahrersitz. Ertappe mich dabei, wie ich stattdessen andere Begebenheiten ins Fahrtenbuch schreibe. Ist ja genug los auf der Straße. Kritzel, kritzel. Ein Fahrtentagebuch, das ist es.

4 Fahrtentagebuch 1
    Liebes Fahrtentagebuch, sehe soeben einen Wochenlohn im Tank verschwinden, 4 9 Euro für 3 3 Liter. Entwickle Verständnis für die Besatzung des Iraks. Habe ein Literchen Super plus in eine leere Mineralwasserflasche gefüllt und mit Geschenkschleife versehen. Das wird ein
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