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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret
Autoren: Alois Prinz
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einer Probe, die den Beweiserbringt, dass Josef unschuldig ist und Marias Jungfräulichkeit unverletzt geblieben ist.
    Schon in den Anfängen des Christentums traf die Lehre von der Jungfrauengeburt, die nur an zwei Stellen des Neuen Testaments erwähnt wird, 19 auf Unverständnis oder sogar empörte Ablehnung. Dass sich diese Vorstellung heute, im aufgeklärten einundzwanzigsten Jahrhundert, noch fremder ausnimmt als damals, ist verständlich. Welchem halbwegs vernünftigen Menschen kann man zumuten zu glauben, dass sich vor zweitausend Jahren eine »biologische Sensation« ereignet hat und eine Frau ohne sexuellen Kontakt mit einem Mann ein Kind zur Welt brachte.
    Kritische Theologen haben versucht, diese Geschichte auch für den modernen Menschen nachvollziehbar zu machen. Sie wiesen darauf hin, dass es schon im alten Ägypten und Griechenland mythische Geschichten gab von einer Jungfrau, die von einem Gott auserwählt wurde und ein Kind gebar, das zum Retter der Welt wurde. Die Jungfrauengeburt also nur eine abgewandelte Version eines alten Mythos von der Verbindung eines Gottes mit einem Menschen? Eine Geschichte, hinter der sich der ewige Wunsch der Menschen nach einem göttlichen Erlöser verbirgt?
    Für den jungen Theologen Joseph Ratzinger, der noch nicht Papst war, beruhte die Abneigung moderner Menschen gegen die Jungfrauengeburt auf einem »gründlichenMissverständnis« 20 . Dieses Missverständnis konnte nur entstehen, weil man dieses Ereignis biologisch auffasste. Dass Jesus Gottes Sohn ist, wurde dann so verstanden, als ob Gott Josef von Marias Seite verdrängt und dann mithilfe des Heiligen Geistes seinen Sohn Jesus zeugt. Solche Vorstellungen existieren bis heute, und manche ihrer Anhänger gehen so weit, sich auf wissenschaftliche Tierversuche zu berufen, die beweisen sollen, dass sich eine weibliche Keimzelle auch ohne männliche Befruchtung entwickeln kann. 21
    Für Ratzinger ist das barer Unsinn. Dass Jesus Gottes Sohn ist, habe nichts mit Biologie und Fortpflanzung zu tun. Vielmehr sei Jesus schon immer der Gottessohn, sozusagen von Anfang an, nicht erst durch seine Geburt. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn Josef und Maria die leiblichen Eltern von Jesus wären. Seine Beziehung zu Gott wird dadurch nicht berührt. Was sich durch diese Geburt ereignet, ist etwas anderes: Gott wird Mensch, oder anders gesagt, er wendet sich den Menschen zu, und dadurch wird umgekehrt deutlich gemacht, dass jeder Mensch eine besondere Würde hat. Eine Würde, die wir gemeinhin meinen, wenn wir davon sprechen, dass der Mensch Gottes Ebenbild ist.
    Und das bedeutet, dass er nach christlicher Auffassung immer mehr ist als alle Definitionen, die ihn endgültig zu erklären versuchen: Er ist mehr als das bloße Kind seiner Eltern. Er ist mehr als das Produkt seiner Gene. Er istmehr als das Ergebnis seiner Erziehung und der Prägung durch die Gesellschaft. Er ist mehr als die Summe seiner unbewussten Triebe, Wünsche und Komplexe.
    Was nach christlicher Überzeugung für jeden einzelnen Menschen zutrifft, dass er nämlich nach »oben« hin offen ist, dass der Grund seines Seins und der Sinn seines Lebens jenseits der Welt liegen und er damit auch nicht mit Maßstäben der Welt begreifbar ist – das gilt besonders für Jesus. Er ist der »wahre Mensch«. Er hat so gelebt, wie jeder Mensch leben sollte und könnte.
    Wenn also Jesus immer Gottes Sohn ist, auch wenn Josef sein leiblicher Vater wäre – warum braucht es dann eine Jungferngeburt? Oder beruht der Glaube daran nur auf einem Fehler, da in der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel der Ausdruck »junge Frau« mit »Jungfrau« wiedergegeben wurde?
    Der Theologe Joseph Ratzinger hielt an der Jungfrauengeburt fest. Für ihn ist dieses Ereignis allerdings Ausdruck dafür, dass Gottes Menschwerdung etwas ist, das die Gesetze der menschlichen Geschichte sprengt und das nicht durch menschliches Handeln herbeigeführt werden kann. Dass Jesus von einer Jungfrau geboren wird, bedeutet dann, dass der Mensch alles, was für sein Leben wichtig und entscheidend ist, nur empfangen kann. Die Haltung, die er dazu einnehmen muss, ist die, welche Maria zugeschrieben wird. Eine Haltung der Demut und Dankbarkeit. »Das Heil der Welt«, so schreibt Ratzinger,»kommt nicht vom Menschen und von dessen eigener Macht; der Mensch muss
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