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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret
Autoren: Alois Prinz
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König, der mit der einen Hand Wohltaten verteilt und mit deranderen unterdrückt und tötet? Oder das göttliche Kind, das für eine Liebe steht, die, so wird es der Apostel Paulus einmal sagen, langmütig und gütig ist, die sich nicht ereifert, sich nicht aufbläht, nicht ihren Vorteil sucht, die sich nicht über das Unrecht freut, die alles erträgt, alles glaubt, alles hofft und allem standhält? (1 Kor, 13)
    Noch ein weiterer Kontrast wird in den Geburtsgeschichten der Bibel nahegelegt, ein Kontrast, der eine historische Grundlage hat. Die Geburt des Jesuskindes fällt zusammen mit dem Ende des Herodes des Großen. Mit dem Kind in der Krippe kommt etwas Neues in die Welt. Dieses Neue stellt die alten Mächte und Maßstäbe infrage. Der alte König will den neuen König beseitigen, wie er alle Rivalen beseitigt hat. Aber es gelingt ihm nicht. Das Kind lebt weiter. Mit dem alten König geht es zu Ende.
    Herodes war neunundsechzig Jahre alt und ein todkranker Mann. Doch er klammerte sich an die Macht und an das Leben. Er färbte sich die Haare und unterzog sich Kuren. Alles half nichts. Manchmal spürte er seine früheren Kräfte wieder und schlug dann wie ein sterbendes Tier um sich. Er änderte sein Testament und ließ seinen ältesten Sohn Antipater, den er als Verräter ins Gefängnis hatte werfen lassen, hinrichten. Weiterhin duldete er nicht den geringsten Widerstand gegen seine romfreundliche Politik, obwohl er damit seine Landsleute bis aufs Blut provozierte.
    An der Ostseite des Tempels hatte Herodes als Weihegeschenk einen vergoldeten Adler anbringen lassen, was für strenggläubige Juden eine Gotteslästerung war. Als nun das Gerücht umging, dass Herodes im Sterben liege, forderten zwei beim Volk sehr beliebte Schriftgelehrte ihre jugendlichen Anhänger auf, die Ehre Gottes wiederherzustellen und den goldenen Adler zu zerstören. Unter dem Beifall der Menge ließen sich die jungen Männer mit Seilen vom Tempeldach herab und zerschlugen mit Äxten das Bildwerk. Herodes war aber noch nicht tot und seine Strafe war fürchterlich. Die beiden Schriftgelehrten und die jungen Leute, die den goldenen Adler zerstört hatten, wurden bei lebendigem Leib verbrannt. Die anderen Mithelfer übergab Herodes dem Henker. 15
    Wenige Wochen nach dieser neuerlichen Bluttat starb Herodes. Sein Begräbnis wurde mit großem Pomp begangen. Der tote König lag auf einem Bett aus Gold, das ganz mit Edelsteinen besetzt war. Auf seinem Kopf trug er seine goldene Krone. Der Leichnam wurde von Herodes’ Söhnen, von Soldaten in voller Kriegsrüstung und einem Heer von Sklaven und Freigelassenen begleitet. Der prunkvoll aufgebahrte König wurde in feierlicher Prozession zum märchenhaften Palast des Herodes, dem Herodion, nahe Jericho überführt.
    Das Herodion war eine palastartige Festung, die Herodes mitten in der Wüste auf einem Hügel hatte errichten lassen. Auf diesem Hügel stand eine mit Mauern undrunden Türmen gesicherte Burg. Innerhalb der Mauern befanden sich riesige Speisesäle, kostbar ausgestattete Gemächer, Empfangsräume, Bäder und Gärten. Sowohl die Mauern, Dächer, Zinnen und Türme als auch der ganze Innenbereich waren, so schildert es Flavius Josephus, »mit verschwenderischem Reichtum überschüttet«. 16 Zu der Residenz, die mitten in der Wüste lag, gehörte auch eine kleine Stadt unterhalb des Hügels, die mit allem erdenklichen Luxus ausgestattet war, einem siebzig Meter langen Schwimmbad, einer Rennbahn und Gärten mit üppiger Vegetation und künstlichen Seen. 17
    Der Leichenzug bewegte sich auf einer langen Promenade zu einer monumentalen, schneeweißen Marmortreppe, dem Aufgang zum Herodion. Dann zweigte er links ab zum Mausoleum, wo der tote König bestattet wurde. Erst 2006 wurde bei Ausgrabungen der Sarkophag des Herodes entdeckt. Die Archäologen mussten feststellen, dass das prächtige Grabmal schon früh zerstört worden war. Nicht Grabräuber waren am Werk gewesen, sondern Juden hatten mit Hämmern alles in Stücke geschlagen. Sie hatten ihre Wut über den König an seinem Grab ausgelassen.
    Vom Herodion aus konnte man das nahe gelegene Betlehem sehen. Nur etwa sechs Kilometer sind die beiden Orte voneinander entfernt. Innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne von zwei Jahren haben hier auf engstem Raum Ereignisse stattgefunden,
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