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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret
Autoren: Alois Prinz
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Regierungsantritt des Kaisers Diokletian gezählt wurden, den er für einen Tyrannen und brutalen Christenverfolger hielt. Dionysius hatte nun eine umwerfende Idee. Er wollte eine neue Zeitrechnungeinführen, die mit der Geburt Christi begann. Diese Idee setzte sich tatsächlich durch, und seither sind wir gewohnt, die Zeit in die Jahre vor und nach Christi Geburt einzuteilen.
    Allerdings hat sich Dionysius um ein paar Jahre verrechnet. Jesus wurde ziemlich sicher – und der Evangelist Matthäus bestätigt das – noch zu Lebzeiten Herodes des Großen geboren, und der starb im Frühjahr des Jahres 4 v. Chr. Also muss Jesus etwa um das Jahr 6 v. Chr. geboren worden sein.
    Und wie steht es mit seinem Geburtsort? War es Betlehem oder vielleicht doch Nazaret?
    Dass Jesus in Betlehem geboren wurde, begründet Lukas mit der Volkszählung unter dem syrischen Statthalter Quirinius. Diesen Publius Sulpicius Quirinius hat es wirklich gegeben, aber er war erst ab 6 n. Chr. syrischer Statthalter, und aus anderen Quellen weiß man auch, dass er zu dieser Zeit in Judäa eine Steuererhebung durchführte. Es gibt allerdings auch Hinweise darauf, dass es in Palästina schon früher solche Erhebungen gab und Quirinius daran beteiligt war. Es ist also zwar unwahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen, dass die Angaben des Lukas auch historisch zutreffen. 14
    Viele Fachleute glauben jedoch, dass Lukas aus theologischen Gründen den Geburtsort Jesu sozusagen nach Betlehem verlegt hat. Lukas sieht Jesus in der Rückschau. Für ihn steht fest, dass er der Messias war. Und der Messiaskann nach seiner Vorstellung nicht in einem x-beliebigen Bauerndorf in Galiläa geboren werden. Mit Betlehem ist es dagegen etwas anderes. Hat doch der Prophet Micha geweissagt, dass aus diesem Ort ein König hervorgehen wird. (Mi 5,1) Außerdem kam auch der König David aus Betlehem. Lukas wollte also Jesus in Betlehem zur Welt kommen lassen, um ihn als erwarteten Retter auszuweisen und um ihn mit David in Verbindung zu bringen. Jesus sozusagen als »Sohn Davids«.
    Das Bemühen des Lukas, Jesus gleich bei seiner Geburt eine herausragende Bedeutung zu geben, widerspricht eigentlich dem Bild, das die Evangelien insgesamt von Jesus zeichnen. Denn darin tritt er immer als jemand auf, der gerade nicht bedeutend und großartig sein will. Nie nennt er sich Messias. Nie beansprucht er irgendeinen Titel außer »Menschensohn«. Selbst wenn er ein Nachkomme von König David gewesen sein sollte, so hat er sich nichts daraus gemacht. Solche Auszeichnungen waren ihm einfach nicht wichtig.
    Wie steht es aber nun mit der Weihnachtsgeschichte? Mit dem Stall, der Krippe, den Hirten und dem Engel? Ist das alles »realistisch«? Lukas würde diese Frage wahrscheinlich nicht verstehen. Für ihn ist es »realistisch«, wenn er Tatsachen und Ereignisse der damaligen Zeit nennt. »Realistisch« ist es für ihn aber auch, wenn er poetische Bilder findet, um das Besondere zu verdeutlichen, das mit Jesus in die Welt kam. Und dieses Besonderetritt bei Lukas und bei Matthäus gerade im Kontrast zu dessen Gegenteil deutlich hervor.
    Auf der einen Seite sind der Kaiser und der König, Augustus und Herodes der Große. Auf der anderen Seite ein Kind, das abseits der Weltgeschichte in einer schmutzigen Höhle geboren wird. Hier der als Gott verehrte Kaiser, der mit einer gewaltigen Militärmaschinerie der Welt den Frieden bringen will, der Barbaren zu Kulturvölkern erziehen und die Herzen der Menschen gewinnen will. Dort ein Kind, das völlig schutzlos und auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Hier der große König Herodes, der in Pomp und Luxus lebt, aber innerlich vor Angst um seine Macht schier zerfressen wird, der die Liebe seiner Landsleute mit Prachtbauten und Gewalt erzwingen will und vor keiner Grausamkeit zurückschreckt. Dort das Kind, das notdürftig in eine Krippe gelegt wird, das machtlos ist und niemand unterwerfen und erziehen will. Bei dessen Geburt nicht hohe Würdenträger und Staatsmänner anwesend sind, sondern einfache Hirten.
    Es ist, als ob Matthäus und Lukas dem Leser eine Frage vorlegen wollen und der sich entscheiden soll: Wer ist nun der wahre Gottessohn? Der göttliche Kaiser in Rom oder das Kind in der Krippe? Wer bringt den wahren Frieden? Der Mann der Macht oder das Kind der Ohnmacht? Wer kann die Herzen der Menschen gewinnen? Der
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