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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret
Autoren: Alois Prinz
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das Wohn- und Schlafzimmer, wo die Menschen sich bei Hitze oder Regen aufhielten und wo sie sich nachts hinlegten. Die Einrichtung war denkbar einfach. Im Felsboden Löcher für die Vorräte. In den Wänden Nischen für die Öllampen und Leuchter. Neben der Kochstelle stand eine Handmühle aus zwei runden Steinen, um frisches Mehl zu bereiten. Zum Schlafen legten sich die Bewohner auf einfache Matten, die tagsüber zusammengerollt in der Ecke verstaut wurden. 25
    Viele dieser Wohnhöhlen hatten auch einen Vorbau, ein einfaches Haus aus Feldsteinen, in dem es luftiger und heller war als in den Grotten. Diese Vorhäuser hatten ein Flachdach aus Balken mit einer dicken Lage Stroh darauf. Im Sommer konnte man mit einer Leiter auf das Dach steigen, um dort Wäsche oder Früchte zu trocknen oder um darauf in warmen Nächten zu schlafen.
    Die Wohnhöhle und das Haus davor waren meist der Lebensraum für eine große Hausgemeinschaft. Erwachsene, Kinder und Tiere lebten hier auf engstem Raum zusammen. Auch die Familie von Jesus dürfte in Nazaret so gelebt haben. An mehreren Stellen im Neuen Testament ist davon die Rede, dass Jesus mehrere Geschwister hatte.Bis heute gibt es einen Streit darüber, ob nun leibliche Brüder und Schwestern gemeint sind oder nur Verwandte oder Kinder aus der ersten Ehe von Josef. Dieser Streit hat natürlich theologische Hintergründe. Besonders die katholische und die orthodoxe Kirchen halten daran fest, dass Maria zeit ihres Lebens Jungfrau war und darum nach Jesus keine weiteren Kinder mehr zur Welt brachte. Wie gesagt, man sollte bei solchen Fragen sehr vorsichtig sein und religiöse Aussagen nicht ins Biologische übersetzen, sonst kommt man in Teufels Küche und muss die Wirklichkeit nach dogmatischen Vorgaben zurechtbiegen.
    Halten wir uns also lieber an die Sitten und Gebräuche zu Jesu Zeiten. Und da war es nicht nur normal, sondern es wurde erwartet, dass eine junge Frau wie Maria viele Kinder bekam. Der Evangelist Markus nennt Jakobus, Joses, Judas und Simon als Brüder Jesu. Die Schwestern nennt er nicht beim Namen, was auch zeitgemäß ist, weil damals in jüdischen Familien Mädchen nicht sehr viel zählten. (Mk 6,3)
    Jesus war der Älteste unter seinen Geschwistern, der »Erstgeborene«, wie man sagte. Als solcher wird er schon früh seinem Vater zur Hand gegangen sein. Josef war ein »tekton«, so heißt es in der griechischen Fassung der Bibel, was meistens mit »Zimmermann« übersetzt wird. Zutreffender wäre es aber, wenn man Josef einen Bauhandwerker nennen würde, denn er hat nicht nur Holzverarbeitet, sondern auch Stein und Metall. Als Schreiner hat er Pflüge oder Dreschschlitten gefertigt oder die Dachbalken für die Häuser gehobelt. Daneben hat er auch die für die Gegend typischen, würfelförmigen Hütten gebaut oder erneuert, Zisternen abgedichtet oder Wohngrotten vergrößert. Diese Arbeiten verlangten viel handwerkliches Geschick und viel Kraft. Vielleicht hängt damit zusammen, dass Josef in Jesus’ späteren Jahren nicht mehr erwähnt wird. Mag sein, dass er aufgrund seiner anstrengenden Arbeit nicht sehr alt geworden und früh gestorben ist.
    Als sicher gilt jedenfalls, dass Josef sein Handwerk an seinen Sohn Jesus weitergegeben hat. Nicht nur, weil er mit Jesus einen Helfer in seiner Werkstatt hatte. Nach jüdischem Glauben war es die Pflicht eines Vaters, dafür zu sorgen, dass die Söhne ein Handwerk erlernten. »Wer seinem Sohn kein Handwerk beibringt«, so heißt es im Talmud, dem jüdischen Wegweiser religiösen Lebens, »der ist wie einer, der ihn zum Straßenräuber erzieht.« Abgesehen davon genoss ein Handwerker in der jüdischen Welt hohes Ansehen und brauchte sich nicht vor den gelehrten Schriftkennern zu verstecken. Im Gegenteil, auch für berühmte Gelehrte war es ehrenhaft und selbstverständlich, einen Brotberuf zu haben. Manche waren Holzfäller oder Bäcker. Der spätere Apostel Paulus, ein hochgebildeter Schriftkenner, verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Zeltmacher.
    Hand in Hand mit der handwerklichen Ausbildung ging die religiöse Erziehung, gemäß dem Leitsatz, dass man ein Kind mit der Thora mästen muss, wie man den Ochsen im Stall mästet. Das Gesetz schrieb auch vor, dass ein Kind seine ersten Unterweisungen im Elternhaus erhalten soll. Das war in erster Linie die
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