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Jesses Maria - Hochzeitstag

Jesses Maria - Hochzeitstag

Titel: Jesses Maria - Hochzeitstag
Autoren: Carla Berling
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die vier Musiker auf dem Cover ansah, stockte mir der Atem: Nie zuvor war mir aufgefallen, dass Tom Fogerty genauso aussah wie Johnny. Das war ja wunderbar. Ich schlief nun mit der Plattenhülle unter dem Kissen ein, träumte von Musik, Kirmes und Johnnys blauen Augen und hörte so oft „Have you ever seen the rain“, bis ich wieder lächeln konnte.

Sag mir wie
    Als Manni in den letzten Jahren immer fetter wurde und mir das optisch überhaupt nicht gefiel, war ich zuweilen sehr direkt. „Wenn du deinen Piephahn in diesem Leben noch mal sehen willst, ohne dich dafür vor den Spiegel stellen zu müssen und deinen Bauch hochzuklappen, musst du mal ein bisschen abnehmen“, sagte ich.
    „Sag mir wie!“, war seine Antwort.
    „Weniger essen, zum Beispiel.“
    „Ich bin ein schwer arbeitender Mann, ich muss vernünftig essen, sonst werde ich krank“, sagte er.
    Über seine „schwere Arbeit“ beim Formulare stempeln im Kreiswehrersatzamt sag ich jetzt keinen Ton. Die Betonung lag sowie auf „vernünftig essen“.
    Unter „vernünftig“ verstand Manni, dass er täglich Fleisch, Soße, Sättigungsbeilagen wie Kartoffeln, Reis oder Nudeln und Gemüse brauchte. Aber nichts Grünes. Manni aß nie was Grünes. Keinen Salat, keine Erbsen, Bohnen, Gurken, Spinat, Grünkohl. Deswegen bin ich beim Kochen schon manches Mal verzweifelt. Und dass er immer und zu allem Ketchup nahm, hat mich oft ausflippen lassen. Manni aß sogar Reibekuchen, Hühnerfrikassee und Rindsrouladen mit Ketchup. Darüber war ich irgendwann so erbost, dass ich Milchreis mit Ketchup serviert habe. Da hat er aber gestreikt.
    „Du bist eine kulinarische Wildsau!“, hab ich zu Manni gesagt, aber er kannte das von zu Hause nicht anders. Die aßenbei denen zu Hause Nutella mit dem Löffel und Rosinenbrot mit Leberwurst. Und immer gute Butter. Sagte meine Schwiegermutter immer dazu: gute Butter. Ja, sicher. Wer will denn schlechte Butter essen?
    Meine Schwiegermutter gab Manni, wenn er als Kind ein bisschen blass um die Nase war, ein gequirltes rohes Ei mit Büchsenmilch und Zucker. Oder Klosterfrau Melissengeist auf einem Stück Würfelzucker. Kopfsalat machte sie mit Zucker, Büchsenmilch und Zitronensaft an. Diese Mischung war doch sofort geronnen und sah aus wie … lassen wir das. Kein Wunder also, dass Manni keine Esskultur hatte.
    Wenn ich heute darüber nachdenke, hatte er insgesamt wenig Kultur. Er interessierte sich nicht für die kultivierten Dinge des Lebens.
    Manni ging nicht ins Kino. „Was soll ich im Kino, wir haben Buntfernsehen im Wohnzimmer, da ist Tag und Nacht Kino.“ Manni ging niemals ins Theater. „Wenn diese Hanseln auf der Bühne rumspringen und gereimtes Zeug von anno Tobak reden, ist das für mich keine Unterhaltung.“
    Einmal ist Manni mit mir im Kurtheater gewesen, als Heidi Kabel in der Stadt gastierte. Darüber konnte er sich schieflachen - fand aber die Karten viel zu teuer. Irgendwas hatte er immer zu meckern.
    Ich hab ihn mal zu einer Ausstellung im Kurhaus mitgenommen, in der sich junge Künstler präsentierten. Bald schaute niemand mehr auf die Exponate, sondern alle Besucher schauten auf Manni. Er stand zum Beispiel vor einer großen Platte, auf die man diese orangefarbenen Straßenbesen ohneStiele genagelt und weiß angesprüht hatte. „Sauberwelt“ hieß das Kunstwerk. Da hatte sich der junge Künstler mit Sicherheit was dabei gedacht.
    „Wenn das Kunst ist, dann bin ich auch Künstler, denn das kann ich auch!“, rief Manni. Sofort waren alle Leute still. Manni sah an die Decke, dort hing eine Rauminstallation aus Tuch und Farbe. Er lachte laut und zeigte nach oben: „Maria, getz guck dir diesen Tinnef an. Da haben sie alte Bettlaken mit Farbe bekleckert und an die Decke gehängt.“ Fluchtartig habe ich den Saal verlassen, so peinlich war dieser Mann.
    Einmal, ein einziges Mal, waren wir mit Tamara zusammen in Köln im Museum Ludwig.
    Zuerst hat Manni sich sehr amüsiert, als wir zu einem „Kunstwerk“ kamen, bei dem wir gar nicht wussten, was das sein soll. Dann las ich das Schild neben dem Kunstwerk vor: „Dieter Roth. Schokoladenplätzchenbild 1968/69.“
    Manni prustete los und las weiter: „Gefüllte Schokoladenplätzchen und Sauermilch auf Holzplatte.“
    Er schüttelte den Kopf und sagte: „Die ticken doch alle nicht ganz richtig. Nageln alte Kekse auf Holz und hängen das ins Museum. Und dafür hab ich Eintritt bezahlt. Kann ja wohl nicht wahr sein.“
    Wir marschierten weiter.
    Da gibt es
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