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Jesses Maria - Hochzeitstag

Jesses Maria - Hochzeitstag

Titel: Jesses Maria - Hochzeitstag
Autoren: Carla Berling
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Buletten zu essen?“
    Da bin ich ins Nachdenken gekommen und habe zugestimmt, mal an einem Mittwoch essen zu gehen.
    Dimitri hat vielleicht doof geguckt, als ich mich an einem Mittwochabend um neun Uhr mit Tamara an Tisch zehn setzte und vor dem Sorbas-Teller einen Metaxa nahm.
    Das war der Beginn meiner Freiheit.

Anuschka
    Von dieser Frau singt Udo Jürgens, nachdem er sie auf dem Dorf beim Tanze gesehen hatte. Man kann nirgends so schön feiern wie auf dem Dorf, da bin ich sicher.
    Ach, was hatten wir früher schöne Feste. Das alte Bürgerhaus könnte Geschichten davon erzählen. Konfirmationen, Hochzeiten, Silberhochzeiten und Goldhochzeiten haben wir da gefeiert. Und runde Geburtstage und eine Zeit lang sogar das Schützenfest, weil das Schützenzelt abgebrannt war, und der Verein kein Geld für ein neues hatte. Das war ein paar Jahre, nachdem Manni Schützenkönig gewesen war.
    Während seiner Königszeit hatten wir übrigens unsere erste Krise, weil er sich zur Schützenkönigin Heike Schneider aus der Brunnenstraße „erwählt“ hatte und nicht mich.
    Manni sagte: „Maria, mach keinen Terz! Du bist doch sonst immer gegen den Schützenverein am stänkern, du findest Schießsport altmodisch und die Schützenherrschaft findest du kindisch. Dann kannst du jetzt schlecht Schützenkönigin sein, mein Schatz!“, hatte er gesagt.
    Ich war total sauer gewesen, als ich im Büro hörte, dass er beim Königsschießen mitmachte. Ein paar Kollegen gingen beim Königsschießen in der Mittagspause immer auf den Schützenplatz. Wenn Manni nur auf den Flügel des Adlers gehalten hätte, um Ritter zu werden – gut. Von mir aus. Aber er hielt direkt auf die Krone und hat den Vogel wirklich abgeschossen. Beim achtundneunzigsten Schuss. Es stand sogar am nächsten Tag in der Zeitung, mit Foto von Manni unddem abgeschossenen Adler.
    Auf den König zu schießen, das konnten wir uns doch gar nicht erlauben. Wir hatten grade erst gebaut. Wir hatten noch nicht mal ein Kellertreppengeländer und noch keinen Zaum ums Grundstück. Aber: So geizig wie Manni sein konnte: Wenn es um sein Ansehen im Verein ging, kannte er keine Grenze. Einmal König sein, das war ein Lebenstraum von ihm. Den hat er ja auch erreicht. Wenigstens den.
    Manni hätte damals darauf bestehen müssen, dass ich seine Königin werde, aber er hat nach meinem ersten spontanen „Nein!“ nur gesagt: „Wer nicht will, der hat schon.“
    Er hat nicht mal versucht, mich zu überreden.
    Und dann regierte er als Manni der Siebte mit Heike der Ersten. Es war ein komisches Gefühl, als er beim Festumzug an mir vorbeimarschierte!
    Manni in grüner Uniform, mit Hut, Gamsbart, Orden, Schärpe, weißen Handschuhen und roter Nelke im Knopfloch, Heike im langen Kleid und Diadem in der Dauerwelle, ganz vertraulich bei ihm eingehakt, Gerbera, Rosen und Jasmin im Bukett, und die beiden winkten mir huldvoll zu.
    So etwas vergisst man als Ehefrau nicht, nie.
    Ich hatte dann mal eine Geschichte mit Heikes Mann Hannes. Ganz kurz nur, auf der Fahrt im Tanzzug nach Bad Hönningen und später noch ein Mal beim Ausflug mit dem Kegelverein, als Manni nicht mitfahren konnte, weil er das Bein in Gips hatte. Hat Manni nie rausgekriegt, diese Sache, Hannes und ich haben beide dichtgehalten. Mit Hannes hatte sich das ergeben, als er kurz nach dem Büchsenbierfrühstück imTanzzug ein Calgon-Tab rausholte und mir damit zuwinkte. Ich war total verständnislos. Hannes sagte:
    „Calgon, dann klappt‘s auch mit dem Nachbarn!“
    Gab mal eine Werbung, die diesen Slogan hatte. Bei Hannes und mir wirkte das sozusagen. Es klappte mit dem Nachbarn. Das waren noch Zeiten.
    Hannes kannte ich schon seit der Schule, wir waren in einer Klasse. Er ist mal Zeuge gewesen, als ich ein sehr peinliches Erlebnis hatte. Das war beim Rehmer Markt, einer Kirmes, die es seit über vierhundert Jahren gibt.
    Ich war dreizehn und hatte eine Freundin, die Belinda hieß. Sie hatte blondes Haar. Schulterlang, glatt und seidig, und sie trug einen modernen Mittelscheitel, auf den ich sehr neidisch war. Mir hatte meine Mutter diese Frisur verboten, weil sie fand, dass ein Poposcheitel unanständig aussah. Ich trug also noch braven Pottschnitt zum Anorak, während Belinda schon mit Mähne zum todschicken US-Parka auffiel. Wochenlang hatten wir unser Taschengeld für den Rehmer Markt gespart, außerdem hatte ich mehrfach sonntags den Moment abgepasst, wenn unser Vatti mit diesem leicht schielenden Blick vom Frühschoppen kam.
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