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Jesses Maria - Hochzeitstag

Jesses Maria - Hochzeitstag

Titel: Jesses Maria - Hochzeitstag
Autoren: Carla Berling
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Händchen und sah einem Erwachsenen nicht ins Gesicht.
    So hatte meine Oma mir das beigebracht, damit ich mal eine richtige Dame werde.
    Das hat nicht ganz geklappt, obwohl ich manches wirklich bis heute beherzige. Das ist wie „Innenspiegel, Außenspiegel, umdrehen“ in der Fahrschule.
    „Eine Dame raucht nur im Sitzen und nur in geschlossen Räumen“, das wusste ich schon mit sechs. Ich hab erst zehn Jahre später angefangen zu rauchen, aber da wusste ich eben direkt, wie ich dabei auszusehen hatte.
    Zum Aussehen hat meine Oma auch eine Menge gesagt.
    „Eine Dame zeigt entweder Bein oder Dekolleté oder Figur. Niemals zwei oder sogar drei Blickfänge schaffen, also nie ein kurzes enges Kleid mit großem Ausschnitt und hohen Schuhen.“ Daran hielt ich mich als junges Ding natürlich nicht. Aber als ich wusste, dass optisch gereizte Männer durchaus lästig sein können, hab ich mich an Omas Rat gehalten.
    „Eine Dame schlägt die Beine nie übereinander, sondern sie stellt sie schräg!“, das beherzigte ich als Achtjährige.
    „Eine Dame grüßt einen Mann nie zuerst.“ Ich habe in der Schule niemals einen Jungen zuerst gegrüßt. Es gehörte sich einfach nicht. Meine Oma war zweimal verheiratet gewesen und hatte später hin und wieder einen „Bekannten“, die kannte sich aus. Auch, dass man „es“ mit einem Mann tun muss, weil die sonst nicht wieder anrufen, weiß ich von ihr. Aber das war erst später wichtig, jetzt sind wir erst mal beim Knicks. Den machte ich übrigens sonntags überhaupt nichtgern. Sonntags musste ich rosa Rüschenschlüpfer über die normalen Unterhosen ziehen, und die waren aus kratzendem Tüll und hatten Nähte, die mir die Haut aufscheuerten. Wozu so eine Spitzenbüx unterm Rock gut sein sollte, hab ich bis heute nicht kapiert. Vielleicht hatte das mit den „Komm doch mal beim Onkel Dieter auf den Schoß“-Aufforderungen zu tun?
    „Was für ein artiges Mädchen du bist“, sagten die Leute also, wenn ich geknickst und gelächelt hatte, und darauf war ich stolz.
    Manchmal half ich bei der Hausarbeit. „Mädchen können das gar nicht früh genug lernen“, sagte meine Mutter und zeigte mir, wie man abtrocknet und den Tisch deckt. Ich konnte Socken zusammenrollen und in die Schublade sortieren. Betten machen konnte ich nicht. Ich durfte das große Bett nicht anfassen.
    „Sau mir bloß das Paradekissen mit deinen Dreckfingern nicht ein“, hieß es. Mit der großen Zigeunerpuppe durfte ich auch nie spielen. Ich hätte so gerne einmal, nur ein einziges Mal, ihr Kleid mit der glänzenden Schürze angefasst und die schwarzen Locken gekämmt. Sie hatte sogar weiße Schuhe an.
    „Wenn ich groß bin, will ich eine schöne Zigeunerin sein und ein goldenes Kleid haben. Und goldene Ringe in den Ohren will ich auch“, verkündete ich den Eltern.
    „Tjunge, Tjunge, wennde mal sonst keine Sorgen hast!“, sagte unser Vatti und schüttelte verständnislos den Kopf. „Wenn es um Kleider geht - auf dem Ohr ist dein Vater taub“, sagtemeine Mutter. Das verstand ich nicht ganz. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass unser Vatti es nicht hörte, wenn mein kleiner Bruder nachts schrie. Obwohl ich mir die Ohren fest zuhielt, hörte ich es trotzdem. Das können wohl alle Männer aller Generationen gut: sich taub stellen!
    Als unsere Kinder klein waren, ist Manni nicht ein einziges Mal nachts aufgestanden. Er hätte nix gehört, sagte er mit unschuldigem Blick, wenn ich ihn darauf ansprach. Von wegen! Wann unsere hübsche Nachbarin nach Hause gekommen war, ob sie Herrenbesuch mitgebracht und ob sie mit dem Besuch Musik gehört oder sich anderweitig vergnügt hatte, das bekam Manni sehr wohl mit!
    Wie kam ich da jetzt drauf? Achso, die Versuche meiner Oma, mich zu einer richtigen Dame zu erziehen.
    Ich erinnere mich gut an Ommis Wohnung in Minden, direkt am Marktplatz, wo die schwarzen, glänzenden Taxen standen und die bunten Busse den ganzen Tag lang Leute in die Stadt brachten.
    Mein Bett stand dort hinter dem Kleiderschrank unter der Dachschräge, das war wie ein eigenes kleines Zimmer. „Kemenate“, nannte Ommi das, nur feine Damen hatten eine Kemenate. Darauf bestand sie, solange sie lebte, dass ich eine feine Dame werden sollte, die sich überall benehmen kann. Wenn ich will, kann ich das, kommt ja immer drauf an, was man vorhat. Manchmal ist es sehr hinderlich, eine Dame zu sein. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ich weiß, was ich will
    In diesem Lied singt Udo Jürgens, dass er
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