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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes
Autoren: Nadine Kühnemann
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Valanen und Firunen gleichermaßen.«
    Kjoren merkte, dass er nicht gern über seine Vergangenheit sprach. Also hakte er auch nicht weiter nach. Er tolerierte es, wenn jemand etwas für sich behalten wollte, ebenso wie er hoffte, andere würden ihn in Ruhe lassen. Überrascht war er jedoch, als Leroy seinerseits fragte: »Und wie ist dein Name? Woher stammst du?«
    Kjoren hatte keine Lust auf engere Kontakte zu den Kameraden, für gewöhnlich hasste er die oberflächlichen Konversationen mit Leuten, die ihm nicht wirklich etwas bedeuteten. Glaubte Leroy, er wäre ihm das Interesse an seiner Person schuldig, nur weil Kjoren sein Leben gerettet hatte? Was er – ganz nebenbei bemerkt – nicht einmal getan hatte.
    »Ich heiße Kjoren und stamme aus einem Vorort von Derris auf der Insel Ona .« Er sprach nicht weiter, weil er sich erhoffte, Leroy würde sich mit der Information zufriedengeben, doch auch er stellte die unvermeidliche Frage, die sich Kjoren so oft hatte anhören müssen.
    »Was macht ein Firune in der Armee von König Adoran ? Wir kämpfen gegen deinesgleichen. Das verstehe ich nicht.«
    Kjoren stieß einen genervten Seufzer aus. »Wirst du mich mit deiner Fragerei in Frieden lassen, wenn ich es dir sage?«
    Leroy zuckte zurück. Kjorens schroffer Tonfall hatte schon so manchen Freund vertrieben, aber das war ihm egal. Er legte keinen Wert darauf, gemocht zu werden.
    »Ich habe dich doch nur etwas gefragt. Aber ich entschuldige mich, wenn ich dich beleidigt haben sollte.«
    Also auch noch ein Duckmäuser, der gleich den Schwanz einzog, wenn jemand etwas harscher wird. Vielleicht sollte Kjoren die Frage umkehren und Leroy fragen, wie er je hatte Soldat werden können, wo er doch so ein Jammerlappen war.
    »Schon gut«, sagte er stattdessen. »Zum hundertsten Mal werde ich diese Frage beantworten. Mein Vater wurde des Verrats angeklagt. Er soll einen Aufstand gegen den König geplant haben. Meine Mutter lebt nicht mehr, aber es hält sich hartnäckig das Gerücht, mein Vater hätte sie misshandelt, was natürlich absoluter Blödsinn ist. Dass er sich gegen das Regime der Valanen auflehnte, will ich hingegen nicht bestreiten. Um der Todesstrafe zu entgehen, hat er sich verpflichtet, seinen ersten Sohn für zehn Jahre zur Armee der Valanen zu schicken. Glaube mir, das ist eine harte Strafe für ihn. Seitdem sind die Falten in seinem Gesicht noch tiefer geworden. Mein Vater war schon immer ein alter Griesgram, aber manchmal glaube ich, die Todesstrafe wäre ihm lieber gewesen.«
    Leroy schwieg. Dann, als er sich die richtigen Worte zurechtgelegt zu haben schien, sagte er: »Das tut mir leid. Es muss hart für dich sein.«
    »Ach was, ich leide weniger darunter als mein alter Herr.« Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber er würde sein Herz garantiert keinem Fremden ausschütten. »Ich gehe mir jetzt etwas zu essen suchen«, sagte er, um vom Thema abzulenken. Er schnürte seine Stiefel und stand auf, um sich in die lange Reihe derer zu stellen, die für einen Teller Suppe aus dem Kessel anstanden. Früh am nächsten Morgen würden sie weiterziehen nach Nelester . Kjoren konnte es kaum erwarten, endlich ins Basislager seiner Einheit zurückzukehren. Dann würde für eine kurze Zeit der eher ereignislose Alltag einkehren, in dem er nicht um sein Leben bangen musste.

Zwei
    Erkenntnisse
    D as Kleid erinnerte an einen klaren Bergsee, dessen sanfte Wellen sich friedlich auf der Oberfläche kräuselten. Sowohl die Farbe als auch die Beschaffenheit des Stoffes gemahnten an Wasser, glatt, glänzend und kühl. Je nach Blickwinkel schimmerte die Seide in W eiß, H ellblau oder F lieder.
    »Der Stoff ist so fein«, sagte Elane und klatschte in die Hände.
    Lanie, ihre Zofe, nickte brav. »Ja, Madam. Es ist ein ausgesprochen edles Kleid.«
    Elane strich über den Rockteil, den mehrere Rüschen und Perlenstickereien zierten. »Ich habe niemals zuvor etwas so Schönes gesehen.«
    »Die Farbe wird Ihren Augen schmeicheln, Madam.«
    »O ja! Mein Onkel hat immer gesagt, meine Augen haben die Farbe und die Tiefe eines Gebirgssees.« Sie fuhr herum und lächelte Lanie an. »Glaubst du, es wird Jonneth gefallen? Ich möchte gut aussehen, wenn wir über unsere Verlobung sprechen.« Elane fasste den Rock ihres einfachen Hauskleids an den Zipfeln und drehte sich einmal um die eigene Achse wie ein übermütiges Kind. »Ach Lanie, freust du dich denn nicht für mich?«
    Die Zofe verzog keine Miene. »Gewiss, Madam.«
    »Lanie,
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