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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes
Autoren: Nadine Kühnemann
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Körper.
    Roson , ein Soldat der Einheit, trat aus der Menge hervor. Mit einer Hand hielt er triumphierend sein Gewehr in die Höhe.
    »Ich war schneller«, rief er, als wäre dies ein Wettbewerb. Ein breites Grinsen stand in seinem Gesicht. »Du musst dich beeilen, es sind nicht mehr viele da. Die meisten sind bereits geflüchtet.« Mit Gebrüll stürzte er sich zurück in die Schlacht.
    Kjoren war die Lust am Kampf nun zur Gänze vergangen, doch er rang den Gedanken nieder. Wenn er seine Zeit in der Armee nicht unnötig in die Länge ziehen wollte, musste er sich anstrengen, zumindest musste er so tun, als sei er ein redlicher Soldat. Vielleicht würde auch Oberst Lenry dann irgendwann die ungerechten Strafen und spitzzüngigen Bemerkungen einstellen und endlich anerkennen, dass Kjoren seine Schuld beglichen hatte.
    Kjoren schärfte seine Sinne und zwang sich, sein Augenmerk wieder auf den Kampf zu lenken. Rasch sah er sich nach einem weiteren Opfer um, dem er das Leben aus dem Körper treiben konnte. Der ohrenbetäubende Lärm riss an seinen Nerven. Schüsse, schepperndes Metall, klirrende Rüstungen und Schreie erfüllten die Luft. Er konnte sich nicht erklären, weshalb ein einzelnes Geräusch inmitten des Lärms jäh seine Aufmerksamkeit erregte. Es war nicht einmal ein lautes Geräusch, mehr wie ein entsetztes Stöhnen oder auch ein Schluchzen, doch seine Andersartigkeit inmitten der anderen Kampfgeräusche stach heraus wie eine Laterne in finsterer Nacht. Kjoren setzte sich in Bewegung und suchte die Umgebung mit Blicken ab. Nur wenige Yards entfernt stieß er auf den Verursacher des herzzerreißenden Schluchzens: Einer seiner Kameraden kniete unbewaffnet im Schlamm und sah sich Hilfe suchend nach allen Seiten um. Sein Gesicht war kreidebleich, er starrte mit geweiteten Augen einen Firunen an, der eine kleine Holzfälleraxt mit beiden Händen fest umklammert hielt und sich ihm mit einem boshaften Grinsen im Gesicht näherte. Der junge Valane mit kurzen schwarzen Haaren, die in wüsten Stoppeln von seinem Kopf abstanden, schien kaum älter zu sein als Kjoren . Die Lederrüstung hing stark beschädigt in Fetzen und war von Schlamm verkrustet.
    Der Firune bahnte sich rasch einen Weg durch die kämpfenden Leiber auf den valanischen Soldaten zu, der sich jäh auf die Beine schwang und nach einem abgebrochenen Holzstiel griff, der neben ihm in der Erde steckte. Ein ungleicher Kampf. Ein Stöckchen gegen eine Axt. Der Firune hob die Axt zum Schlag über den Kopf. Der Valane hielt sich den Holzstiel zur Abwehr vor den Körper. Kein Schutz, nur ein Strohhalm. Er warf Kjoren einen Hilfe suchenden Seitenblick zu. Die Panik in den blauen Augen veranlasste Kjoren nun doch, etwas zu unternehmen, obwohl seine Kräfte ihn bereits verlassen hatten und er nicht sicher sein konnte, eine weitere Begegnung zu überleben.
    Kjoren rannte mit gezücktem Schwert auf den Firunen zu.
    »Hey, lass ihn in Ruhe«, rief er. Er wusste, wie dumm sich das anhörte, wie ein törichtes Kind, das sich mit seinen Spielkameraden stritt. Vielleicht hätte er sich nicht einmischen und sein Leben gefährden sollen. Weshalb nur zweifelte er ständig? Selbst wenn er dem Firunen sein Recht einräumte, sich und sein Land zu verteidigen, am Ende würde der Dörfler es doch nicht überleben. Wenn Kjoren es nicht tat, würde ein anderer Valane sein Leben beenden. Die Firunen waren in diesem Kampf deutlich unterlegen. Weshalb also zwei Leben opfern, wenn er zumindest das des Valanen retten konnte?
    Der Firune blickte verwirrt zu ihm herüber, der Valane sah nicht minder perplex aus. Mittlerweile hatte sein Angreifer ihn gegen einen Baum gedrängt, an den sich der Soldat mit dem Rücken presste. Der Mann mit der Axt lächelte kurz und holte aus. Kjoren war noch zu weit entfernt, um den Firunen davon abzuhalten. Doch der junge Valane duckte sich reflexartig unter der Axt hinweg, sprang geistesgegenwärtig zur Seite, sodass die Klinge der Axt in der Rinde des Baumes stecken blieb. Der hölzerne Griff brach ab.
    Der Firune umklammerte den Holzgriff und starrte ihn an, als könnte er sein Pech kaum fassen. Kjoren stürzte mit langen Schritten herbei und setzte dazu an, den Bauern in zwei Hälften zu spalten. Der Firune drehte sich auf dem Absatz um und machte einen Schritt nach vorn, um seine Haut zu retten, doch er rutschte auf dem schlammigen Boden aus. Der Schwung der Bewegung beförderte ihn geradewegs gegen den Baum, in dem immer noch die Klinge seiner Axt
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