Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Titel: Jenseits der Alpen - Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
Vom Netzwerk:
Husten, bevor’s ans Eingemachte geht, dachte er. Er war auf eine naive Art gewappnet.
    »Bittschön, wir haben ja nix dagegen, wenn man sich in unsrem verehrten Nachbarland für unsere Fälle interessiert …«
    Und jetzt wird ein dickes Aber am Horizont erscheinen, sah Ottakring schon kommen.
    »… aber wofür brauchen S’ denn des Material? Wollen S’ womöglich die Seiten wechseln?«
    Ottakring erklärte es dem Oberleutnant. Er habe ein rein wissenschaftliches Interesse an dem Fall. Falls irgendwann einmal die unwahrscheinliche Möglichkeit einträte, dass über die Grenzen hinweg ein Tatbestand dem anderen gleiche. Nur für eine solche Eventualität. Nein, er würde die Details selbstverständlich zu nichts anderem verwenden. Und wenn er sie jemals verwenden sollte, würde er den Herrn Oberleutnant selbstverständlich vorher informieren. Ja, selbstverständlich.
    Da war der bayerische Kriminalrat hartnäckig. Wie erschöpft und mutlos er auch ab und zu sein mochte, so verlor er doch niemals die Kontrolle über seinen inneren Richtungsweiser.
    »Ihr Fall ist ja schließlich noch nicht gelöst«, fügte er hinzu. »Und falls er über längere Zeit nicht gelöst werden sollte, kann mein Gedanke doch einmal eine Rolle spielen, oder?«
    »Sie meinen also, falls derselbe Täter auch in Ihrem Revier einmal zuschlagen sollte?«
    »Genau.«
    Damit hatte Ottakring den Tiroler auf seiner Seite. Niemand rechnete zwar damit, dass die Polizei den Fall Amelie nicht in akzeptabler Zeit aufklären würde. Aber für alle Fälle.
    »Also, ich lasse Ihnen dann den Obduktionsbericht zukommen«, schloss Oberleutnant Spurny. »Ist nicht sehr delektabel zu lesen. Setzen Sie sich vorher besser hin.«
    Ottakring las den Bericht, den ihm Oberleutnant Spurny unmittelbar nach ihrem Telefonat gefaxt hatte, im Stehen.
    Sektionsprotokoll: äußere Leichenschau.
    Es handelt sich um die Leiche einer jungen Frau im Alter zwischen achtzehn und zweiundzwanzig Jahren. Die Leiche ist kalt. Die Totenstarre in den großen und kleinen Gelenken ist mittlerweile gelöst. Totenflecken und Lagestriemen an der linken Außenseite des Körpers in schräger Verlaufsrichtung. Kopfhaar, Finger- und Zehennägel sind ungefärbt, die Augen sind geschlossen.
    Unter dem Kehlkopf-Ringknorpel findet sich eine 8   cm breite und 3   cm hohe Schnittwunde mit Durchtrennung der Außenhaut, der Zungenbein-Kehlkopfmuskulatur, der Kehlkopfbrustbeinmuskulatur und der Luftröhre. Die Wundränder sehen gelappt aus, insbesondere findet sich 2   cm vom rechten Wundwinkel entfernt eine scharfwinklige 1   cm tiefe, einspringende Kerbe. Im rechtsseitigen Wundwinkel ist die Wunde flach, der linke Wundwinkel ist scharf abgegrenzt. Die Wundränder der großen Halswunde zeigen einen grauroten eingetrockneten Rand. Die Verletzung lässt einen erheblichen Kraftaufwand erkennen und spricht eindeutig für fremde Gewalt. Suizid wird demnach ausgeschlossen.
    Unter der rechten Brust in der Achsellinie drei Druckstellen. Fingerkratzspuren an der Außen- und Oberseite der linken Brust. Weitere Kratzspuren am gesamten Körper, die davon herrühren könnten, dass der bereits tote Körper über weitere Strecken geschleift wurde oder gerutscht ist. Desgleichen Spuren von Walderde. Am ganzen Körper sind Reste von Wollfasern zu finden, Abwehrspuren an den Fingernägeln sind nicht zu erkennen.
    Todesursache ist der gewaltsame Halsschnitt. Der Tod ist am Gründonnerstag, 9.   April 1998, zwischen 18.30   Uhr und 23   Uhr eingetreten. Die Leiche hat danach bis zur nächsten Frühe im Wasser gelegen.
    Ottakring legte den Bericht zur Seite. Die innere Leichenschau, der Bericht über Niere, Herz, Lunge und Harnblase sowie die letzte Mahlzeit im Magen der Toten, interessierte ihn augenblicklich nicht. Einzig die Aussage, dass die Gebärmutter nicht vergrößert war und sich frisches Sperma in der Vulva der jungen Frau befunden habe, hatte ihn die Augenbrauen heben lassen.
    Danach verglich er das Sektionsprotokoll mit dem Text der Zeitungsmeldung vom 15.   April, atmete tief durch und hatte die Absicht, zur Tagesordnung überzugehen. Ein Grund, warum seine Gedanken von den Details einer Leichenöffnung zu der überaus lebendigen Gestalt von Lola Herrenhaus abschweiften, wäre ihm nie und nimmer eingefallen, selbst wenn er darüber nachgedacht hätte.
    Ottakring musste gähnen. Die Müdigkeit überfiel ihn heimtückisch, aber er war ja auch keine vierzig mehr. Lola und er hatten eine wundervolle
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher