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Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Jenseits der Alpen - Kriminalroman

Titel: Jenseits der Alpen - Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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und über sein bisheriges Leben, und erst recht über sein
zukünftiges, gibt es nichts Positives zu berichten, was Sie aufmuntern könnte.
Alles, was auf ihn herniederprasselte, war gespickt mit Unglück, Elend und
Verzweiflung. Ich rate Ihnen noch mal: Legen Sie dieses Buch aus der Hand.
    Für die wenigen Unbeirrten, Unbeugsamen will ich schweren Herzens
berichten, wie es weiterging, nachdem Artur auch noch seine Arbeitsstelle
verloren hatte. Mehrere Jahre – nach einer verabscheuungswerten Karriere in der
Verbrecherwelt – hatte er sich in einem bürgerlichen Beruf bewährt und konnte
sich und Bernadette finanziell über Wasser halten. Bis – kurz nach dem Tod von
Franziska und ihrem Dankwart aus Sachsen-Anhalt – sein Arbeitgeber auf die Idee
kam, die Belegschaft zu verschlanken und trotz Einspruch des mächtigen
Betriebsrats Arturs Stelle wegrationalisierte.
    Nach dieser Zwangspensionierung stürzten die heftigen,
erschreckenden Ereignisse der letzten Zeit den Frühpensionär Artur nicht nur in
eine Depression, sondern auch in arge finanzielle Schwierigkeiten. Und nun
musste er nicht nur Bernadettes Begräbniskosten vorschießen, sondern nach ihrem
plötzlichen Tod auch für die ansehnlichen Schulden aufkommen, die sie reihum
gemacht hatte.
    Bernadette war eine große, ausladende Frau mit Haaren wie ein Einmannzelt
gewesen, mit gummiroten Lippen und auffallend großen Nüstern. Mit dieser Nase
roch sie jedes Schnäppchen, ging hin und kaufte es. Im Lauf der Zeit sammelten
sich so Gegenstände an, die zwar lohnten, gekauft zu werden, doch überhaupt
nicht gebraucht wurden. Ein Motorroller im Sonderangebot für
neunhundertneunundneunzig Euro, ein Container mit sechslagigem Toilettenpapier,
ein schwarz lackiertes Sailer-Klavier (niemand im Umkreis von einem Kilometer
spielte Klavier) bis hin zu geeistem Hummer und einem sprechenden Beo aus
Indien. Daneben war Bernadette zu jeder Zeit scharf gewesen auf neue Möbel und
glänzende Klamotten. Ihr Witwer verfügte jetzt zwar über ein stattliches
kleines Warenhaus. Aber er hatte auch die verdammte Schuldenlast am Hals.
    Bernadettes Beerdigung war ebenso still wie seinerzeit die Hochzeit.
Der Preis für den Bestatter, das Trinkgeld für den Pfarrer und die Kosten,
fünfzig Leute zu bewirten, das überstieg Arturs Budget bei Weitem. Um genau zu
sein, sein Budget war eh gleich null. Er musste sich in neue Schulden stürzen.
Und er hatte auch keine Aussicht auf ein weiteres Arbeitseinkommen, eine höhere
Pension oder einen Lotteriegewinn. Seine bisher schon düstere Lebensqualität
befand sich im freien Fall. Artur spürte deutlich, dass er eine trostlose und
furchterregende Zukunft vor sich haben würde.
    Am Tag nach der Beerdigung rief der zuständige Sachbearbeiter seiner
Bank an. Die Bank hörte auf den klangvollen Namen
Chiemsee-Alpenländisch-Rosenheimer Bank e.V.
    »Es tut uns leid«, klagte er. »Aber wir haben eine interne Revision.
Wir müssen alle Schuldner, die ihr Dispolimit ausgeschöpft haben, auffordern,
ihr Konto auszugleichen. Sie stehen bei dreitausend Euro. Das ist Ihr Limit.«
    Artur schluckte. »Heißt das, ich soll dreitausend Euro zurückzahlen?«
    »Ja, mein Herr. So leid es uns tut. Sie müssen das Geld
zurückführen.«
    »Bis wann muss ich die dreitausend Euro zurückzahlen? Wie lange habe
ich Zeit?«
    Die Antwort kam schnell wie eine Pistolenkugel. »Bis Ende der
Woche.«
    Zu Beginn der nächsten Woche stand der Gerichtsvollzieher vor der
Tür. Seine dünne, spitze Nase wirkte ein wenig deplatziert in dem fleischigen
Gesicht. Er trug einen dunkelblauen Blazer mit Goldknöpfen und einen weinroten
Rollkragenpulli, der seinen kurzen Hals noch dicker erscheinen ließ.
    »Sie sind hier falsch«, sagte Artur Josef. »Hier ist kein Empfang
des Hochadels.«
    Der modische Beamte nickte ihm knapp zu. »Es tut mir leid«, begann
er. »Ich bin von der Bank beauftragt, mich bei Ihnen umzusehen. Hier ist der
Beschluss.«
    Wenn Artur seiner Stimmung gefolgt wäre, wäre er in den Abstellraum
gegangen, hätte das handgeschmiedete kanadische Spaltbeil geholt, das immer
eingefettet war und mit dem er sonst Bäume und dicke Äste entzweihackte, und
hätte den Mann senkrecht halbiert. Doch er sprang über seinen Schatten und bat
ihn herein.
    Sie stiegen über einen Berg von Koffern und Kleidern, leere
Bierflaschen und ganze Haufen unbearbeiteter Steinfliesen. Elektrische Drähte
hingen wie Würmer von der Decke und an den Wänden herunter, und in einer
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