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Jeder Kuss ein Treffer

Jeder Kuss ein Treffer

Titel: Jeder Kuss ein Treffer
Autoren: Janet Evanovich
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ging, doch zwei Stunden später starrte sie noch immer an die Decke. Ihr Kopf gab keine Ruhe. Wann immer sie die Augen schloss, sah sie Charles mit einem Kissen auf dem Gesicht unten am Fuß der Treppe liegen. Tröstlich war für sie nur der Gedanke, dass er zu dem Zeitpunkt bereits bewusstlos gewesen sein musste.
    Sie schalt ihr müdes Hirn und versuchte, Antworten auf die sie quälenden Fragen zu finden, bis ihr vor Erschöpfung die Augen zufielen. Nach einem schlechten Traum wachte sie auf, aber sie konnte sich an nichts Genaues erinnern. Dann drehte sie sich um und schlief weiter.
    Im nächsten Traum war sie zwölf Jahre alt und besuchte ihre Großmutter in den Sommerferien. Sie standen auf der hinteren Veranda und beobachteten den streunenden Kater, der jeden Morgen vorbeikam und nach Essensresten suchte.
    »Wie
heißt der, Oma?«,
hatte Annie gefragt, als sie das dürre Tier zum ersten Mal sah.
    Die alte Frau schmunzelte. »Ich nenne ihn immer Lover Boy, weil er die ganze Nacht lang Weibchen jagt und sich mit anderen Katern anlegt. Beim letzten Mal fehlte ihm das halbe Fell, als er wieder herkam.«
    Annies Großmutter warf eine Handvoll Hühnerknochen auf den Boden. Der Kater stürzte sich darauf, als hätte er seit Tagen nichts gefressen. Daraufhin hob Annie die Tischabfälle auf und aß morgens nur die Hälfte ihres Haferschleims, damit Lover Boy genug zu fressen bekam.
    Eines Morgens ging Annie mit ihrem Teller Haferschleim vor die Tür und fand Lover Boy zusammengerollt neben der untersten Treppenstufe. Mit glasigen Augen sah er zu ihr auf. Sein Fell war mit geronnenem Blut verklebt. Als sie sah, dass die Hälfte eines Ohres fehlte, erschrak sie zutiefst. Sie lief ins Haus zu ihrer Großmutter.
    »Hol Doc her!«, sagte die alte Frau, nachdem sie nach der Katze gesehen hatte.
    Doc warf einen Blick auf das leidende Tier und schüttelte traurig den Kopf. »Das sieht nicht gut aus, Annie. Den muss ich wohl leider einschläfern.« Tränen strömten Annie übers Gesicht, als Doc den Kater davontrug.
    Annie setzte sich im Bett auf. Ihre Wangen waren nass vor Tränen. Sie griff zum Telefon und wählte Wes‘ Handynummer.
    Er meldete sich nicht. Annie legte auf, stieg aus dem Bett und zog sich schnell etwas über. Dann lief sie hinunter, durch den Flur zur Küche. An der Hintertür blieb sie stehen. Sie musste sie entriegeln und die Kette abnehmen. Quietschend öffnete sie sich. Annie zuckte zusammen. Die Scharniere mussten dringend geölt werden. Annie schloss die Tür hinter sich und ging über den Hof, wo ihre Großmutter vor langer Zeit die Buchsbaumhecken gepflanzt hatte, damit sie Docs Rosengarten bewundern konnte.
    Wes schlug die Augen auf, als er sein Handy auf der anderen Seite des Zimmers klingeln hörte, doch er brauchte zu lange, bis er es gefunden hatte.
    Als er es endlich in seiner Jeanstasche entdeckte, klingelte es nicht mehr. Er knipste die Lampe neben seinem Bett an und rieb sich die Augen, um wach zu werden. Schließlich drückte er eine Taste auf dem Handy und scrollte nach unten. Er suchte die letzte Nummer auf der Anrufliste.
    Obwohl es schon so spät war, brannte bei Doc im Erdgeschoss noch überall Licht. Nachdem Annie mehrmals so laut wie möglich geklopft hatte, gab sie auf. Sie nahm an, dass Doc in seinem Zimmer saß, fernsah und deswegen nichts hörte. Sie hob den Blumentopf neben der Haustür an und nahm sich den Schlüssel darunter.
    Im Haus plärrte der Fernseher. Annie entdeckte Doc, der in seinem Ohrensessel schlief, einen alten Quilt über sich gebreitet. Sie stellte den Fernseher ab. Da fuhr er hoch und schlug die Augen auf. Als er Annie sah, runzelte er die Stirn. »Was ist los?«, fragte er.
    »Wir müssen uns unterhalten. Es ist wichtig.«
    »Was ist so wichtig, dass du um zwei Uhr morgens bei mir ins Haus platzen musst?«, fragte er. Sein Gesicht war vom Schlaf rot gefleckt. Er klang verstimmt.
    »Es geht um Charles«, sagte Annie.
    »Ach, du liebe Güte. Siehst du denn keine Nachrichten und liest keine Zeitung? Sie haben die Frau gefunden, die es gewesen ist.«
    »Donna Schaefer hat ihn nicht umgebracht, Doc. Als sie ging, lebte Charles noch.«
    »Woher willst du das wissen?«
    Annie setzte sich aufs Sofa. »Erdle kam später in der Nacht herein und fand Charles. Er war tot, und neben ihm lag ein Kopfkissen. Er dachte, ich hätte ihn in einem meiner dummen Tobsuchtsanfälle umgebracht, deshalb versuchte er es zu vertuschen, indem er Charles hinter dem Haus begrub.«
    »Erdle
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