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Jeder kann mal Robin sein

Jeder kann mal Robin sein

Titel: Jeder kann mal Robin sein
Autoren: Lotte Betke
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Hausschuhe mit«, rief Gisela ihm nach. »Bloß keine Erkältung so kurz vor Weihnachten.«
    Tine hüllte sich in den Bademantel und hockte sich auf den Teppich. »Ich möchte euch noch meinen Wunschzettel geben«, sagte sie leise.
    Oma nickte. »Und für mich wird es Zeit. Bestellt mir doch bitte eine Schiffskarte für den einundzwanzigsten, ja?«
    »Was, du willst vor Weihnachten weg?« Tine sprang auf und setzte sich auf Omas Schoß. »Das geht nicht. Du darfst nicht wegfahren. Denk an Lilly. Wir brauchen dich doch.«
    »So. Meinst du, Opa braucht mich nicht? Wo er schon so lange allein ist mit der frechen Mecke?«
    »Aber Oma ...«
    »Du brauchst gar nicht weiter zu betteln, Tine.« Gisela beugte sich über den Tisch. »Wenn Oma weg muß, dann muß sie. Und ich kann es auch verstehen.«
    »Da bin ich aber froh«, rief Oma erleichtert. »Und du, Tine, solltest jetzt unter die Bettdecke kriechen. Mußt ja morgen früh raus.«
    Tine reckte sich und zog einen Briefumschlag aus der Jeans. »Aber erst lesen, wenn ich im Bett bin!« Sie gab Oma einen Kuß, umarmte die Mutter, dann den Vater, drückte ihm den Umschlag in die Hand und lief aus dem Zimmer.
    »Na, dann woll’n wir mal.« Peter nahm einen Brieföffner vom Schreibtisch, aber noch ehe er ihn angesetzt hatte, wedelte Oma ihrerseits mit einem Brief in der Luft herum.
    »Halt! Hier ist noch einer. Von eurem Sohn, hat er mir heute morgen diktiert.«
    Gisela drehte sich zu ihrer Mutter herum. »Du kannst uns doch einfach sagen, was Max sich wünscht.«
    Oma hob abwehrend die Hand. »Briefgeheimnis.«
    »Also, dann fang ich mit Tines Brief an.« Mit einem Schnitt öffnete der Vater den Umschlag, zog ein Blatt Papier heraus, las und - schwieg.
    »Was ist?« Gisela sah ihren Mann gespannt an. »Warum liest du denn nicht vor?«
    »Da, lies selbst!« Schweigend reichte er seiner Frau das Blatt. Die las, schwieg ebenfalls und ließ die Hand mit dem Briefbogen in den Schoß fallen.
    Oma nahm ihn ihr aus der Hand, hielt ihn dicht vor die Augen. »Ich hab meine Brille nicht zur Hand«, erklärte sie und buchstabierte mehr, als sie las: »Ich hab bloß einen Wunsch: daß Lilly bei uns bleiben darf.«
    Oma ließ ebenfalls das Blatt sinken, sah ihre Tochter an, dann den Schwiegersohn und schüttelte den Kopf. »So was! Dabei sind eure Kinder doch sonst so verschieden.« Sie zog einen eng zusammengefalteten Zettel aus ihrer Rocktasche und legte ihn auf den Tisch. »Am besten, du kommst ein bißchen näher, Peter, dann könnt ihr euch gegenseitig stützen, denn das werdet ihr nötig haben.«
    Ungeduldig nahm Peter den Zettel und las laut: »An Herrn und Frau Koch.«
    »Aha!« sagte Gisela. »Nun wird’s ernst.«
    »Ruhe!« Peter las weiter: »Eigentlich wollte ich immer einen Bruder haben. Aber Mama hat immer gesagt, vielleicht nehmen wir ein Kind auf, das kein Zuhause hat. Später, wenn wir ’ne größere Wohnung haben, mit einem Zimmer mehr. Also, mit dem Bruder wird es ja doch nichts. Und ich schlaf gern auf Stroh, so wie die Leute in Greenwood. Deshalb kann Lilly mein Zimmer kriegen. Wenn sie auch kein Junge ist und kein Wort sagt. Irgendwo muß sie doch hin. Sonst braucht ihr mir nichts zu schenken. Höchstens vielleicht einen Dolch. Aber echt, nicht aus Holz. Damit kann ich keine Pfeile schnitzen. Max.«
    »O Gott!« Gisela schüttelte den Kopf. »Nie wieder fliege ich nach Amerika!«

    Dünner Nebel erfüllte die Luft. Wer auf Hof A zur Kastanie schaute, hätte glauben können, er sei im Urwald. Schwärzliche Schatten hangelten im Geäst wie eine Herde aufgeregter Affen. Es waren die Robinianer mit Kalli und ein paar Astros, die auf Tine warteten. Sie alle wollten wissen, was heute bei dem letzten entscheidenden Gespräch auf dem Jugendamt über Lillys Zukunft beschlossen worden war.
    »Mann, dauert das lange, bis Tine kommt.« Martin ließ sich von einem der unteren Äste auf die
    Plattform fallen und rieb sich die Hände. »Dieser Nebel! Ich hab ganz klamme Pfoten.«
    »Wir können ja solange zu mir in den Hobbykeller gehen«, schlug Ede vor.
    Aber Judy schüttelte heftig den Kopf. »Dazu bin ich viel zu aufgeregt.«
    Endlich tauchte eine kleine Gestalt aus dem Nebel, dahinter zwei größere, und die kleine schrie immerfort: »Kikeriki, wir kriegen sie!«
    Robinianer und Astros stürmten auf die Ankömmlinge zu, umringten sie und schrien und fragten durcheinander, bis Judy ihr Holzschwert schwang. »Ruhe, so geht das nicht. Jetzt ist unsere Botschafterin an der
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