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Je länger, je lieber - Roman

Je länger, je lieber - Roman

Titel: Je länger, je lieber - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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sachte um den goldenen Kompass geschlossen hatten.
    Nun saß ihre Großmutter drüben im Salon im Sessel am Fenster. Ihr Lebenswille war zurückgekehrt und mit ihm die Unbändigkeit ihrer Locken. Sie trug ihren dunkelblauen Hosenanzug und eine Strickjacke. Mimi hatte bei ihr sitzen wollen, während sie warteten, aber Clara wollte allein hinaus in den dunstigen Nachmittag sehen und Jacques zuwinken, wenn er aus dem Wald heraustrat.
    »Wir hätten ihn nicht aussteigen lassen dürfen! Was ist, wenn er über eine Baumwurzel gestolpert und gestürzt ist?« Mimi sah auf ihre Armbanduhr. »Er ist schon seit fast einer halben Stunde unterwegs.«
    »Er ist nicht gestolpert.« Bruno zeigte aus dem Fenster die Allee hinunter. »Guck! Da!«
    Ganz am Ende trat nun Jacques in Leinenhosen, Mantel und Hut aus dem Wald heraus. Schritt für Schritt bewegte er sich auf Waldblütenhain zu. Er ging sehr langsam, aber sein Blick war fest auf die Haustür gerichtet. Als er die Hälfte der Allee hinter sich gelassen hatte, erschien Clara in der Salontür. Sie zog die Strickjacke zusammen und trippelte zur Tür. Bevor sie die Klinke herunterdrückte, schloss sie die Augen und atmete tief durch. Mimi und Bruno zogen sich leise zum Fuß der Treppe zurück. Von hier aus beobachteten sie, wie Clara die Tür öffnete und hinaus auf die Veranda trat. Dort wartete sie im herbstlichen Rauschen der Blätter, bis Jacques die beiden Stufen zu ihr erklommen hatte, wobei er sich am Geländer festklammerte.
    Clara breitete ihre Arme aus, beinahe wie ein junges Mädchen. Im Garten wehten die orangeroten Baumkronen, durch die das Licht flirrte, und mit ihrem sanften Wiegen durchströmte die Luft ein zarter Duft von Milch und Honig. Clara sah Jacques an. Er hatte sich über die Jahre stark verändert. Genau wie sie. Aber seine Augen waren dieselben geblieben. Tiefgrün und jungenhaft. Es war, als wäre nicht viel Zeit vergangen. Und doch ein ganzes Leben. Sie streckte ihre Hände aus und umfasste seine, und während ihr Tränen über die mit Fältchen überzogenen Wangen rannen, flüsterte sie: »Da bist du ja endlich.«
    »Ja, da bin ich. In deinem Paradies. Und es ist genau so, wie ich es mir immer vorgestellt habe«, antwortete Jacques leise, wobei er Clara zärtlich über die Locken strich. »Waldblütenhain ist wie unsere Liebe. Wild und ungestüm und ewig jung.«
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