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Je länger, je lieber - Roman

Je länger, je lieber - Roman

Titel: Je länger, je lieber - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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Leben zu retten, sage ich dir etwas …«
    Seine Stimme wurde immer leiser, seine Worte kamen immer schleppender. Hatte er innere Verletzungen? Blutete er? Clara hätte vielleicht etwas tun sollen. Vielleicht sollte sie seine Beine hochlegen, einen kalten Lappen holen, nach Margarete rufen? Doch nichts davon schien ihr richtig oder ausreichend. Sie wollte seine Hand nicht loslassen. Es war so, als hätte sie noch nie zuvor die Hand ihres Mannes gehalten. Sie wollte nicht, dass er ging. Sie wollte nicht, dass er sie verließ. Sie wollte, dass er bei ihr blieb und sie ihm endlich das gab, was sie zu geben hatte. Ihre Lippen zitterten. »Ich will dir alles geben, ich will dir alles sein. Hörst du mich, Tave?«
    Clara wusste, dass er gleich verschwinden würde. Für immer. Egal, wie sehr sie ihn nun festhielt. Wieder und wieder strich sie über seine Hand. Von weit her hörte sie das Wasser in der Küche aus dem Hahn plätschern. Margarete würde mit einem kalten Lappen kommen. In ein paar Minuten würde sie hinter der Tür Doktor Medlers alten Mercedes hören, der knirschend über den Schnee kroch. Durch die Fenster des Wintergartens floss unerwartet die winterliche Morgensonne. Es hatte zu schneien aufgehört. Die sonst so düstere Halle war erfüllt vom Licht des anbrechenden Tages. Ihr Mann sah sie ruhig an. Seine Brust hob und senkte sich mit seinen letzten Atemzügen. »Ich habe dich immer geliebt. Und jeden Tag mehr. Meine Frau, mein Leben. Grüß mir die Kinder.«

42

    Arles, 2013
    »Und was willst du zu Cécile Barreto sagen, wenn du vor ihr stehst?« René zog die Wagentür zu und sah durch seine Sonnenbrille zu Mimi hinüber, die den Kombi aus der engen Parklücke vor dem Hotel manövrierte, in dem sie die Nacht verbracht hatten. Und zwar auf ihren Wunsch hin in getrennten Zimmern. Sie wollte nichts überstürzen, einen kleinen Schritt nach dem anderen gehen, um sich behutsam wieder anzunähern.
    »Ich weiß es nicht.« Sie zuckte mit den Schultern und fuhr die enge Gasse hinter dem Amphitheater hinunter. »Vielleicht werde ich sie einfach nach Jacques Barreto fragen und ob ich mit ihm sprechen kann.«
    Am Ende der Gasse bog sie auf die Hauptstraße ab. Von hier aus war es nicht mehr weit bis zum Château, in dem sich Céciles Hotel befand, und genau aus diesem Grund wollte sich Mimi jetzt nicht unnötig in Aufregung versetzen. Am letzten Kreisverkehr ließen sie Arles hinter sich und folgten der Landstraße, die zwischen Feldern hindurchführte. Die Schatten der Platanen, die rechts und links die Fahrbahn säumten, rollten über ihre Gesichter hinweg und wechselten sich mit der Sonne ab.
    »Und was ist, wenn er nicht mit dir sprechen möchte?«, fragte René, als suchte er händeringend nach einem Gesprächsthema, um nicht den Kontakt zu Mimi zu verlieren. Auf einmal war nichts mehr übrig von dem einst so sicheren, souveränen Mann, den sie damals geheiratet hatte, gerade weil er sich mit dem Leben auszukennen schien.
    »Keine Ahnung.« Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Warum sollte er nicht mit ihr sprechen wollen? Soviel sie herausgefunden hatte, gab es nichts in Claras und Jacques’ Vergangenheit, das darauf schließen ließ, dass er von ihrer Großmutter enttäuscht oder verraten worden war. Außerdem beschäftigte sie viel mehr, ob sich Jacques in seinem hohen Alter überhaupt noch an Clara erinnerte, und wenn ja, ob er irgendetwas Bedeutsames mit dieser Erinnerung verband? Und falls ja, was daraus folgen sollte? Worauf hoffte sie eigentlich? Wenn sie ehrlich zu sich war, hatte sie sich seit Beginn ihrer Suche vorgestellt, wie sie gemeinsam mit diesem verschollenen Mann nach Waldblütenhain zu Clara kommen würde, um so endlich ihre Sehnsucht zu stillen. Sie hatte es sich so romantisch vorgestellt, wie sich ihre Großmutter und Jacques nach fünfundachtzig Jahren endlich wieder sahen. Vermutlich war es vollkommen naiv, was sie hier tat. Aber tat sie es wirklich für Clara oder um sich selbst den Beweis zu liefern, dass Liebesbeziehungen am Ende immer gut ausgingen? Auch wenn sie hier ein wenig nachhelfen musste.
    Ursprünglich hatte sie diese Reise angetreten, damit zwei Liebende durch ihre Hilfe wieder zusammenfanden. Doch während dieser Reise hatte sie vor allem zu sich selbst gefunden. Entgegen ihrer Art, hatte sie sich blindlings ins Ungewisse gestürzt. Sie hatte etwas begonnen, von dem sie nicht wusste, wohin es führen würde, und doch hatte sie gespürt, dass sie genau das
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