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Jan Fabel 05 - Walküre

Titel: Jan Fabel 05 - Walküre
Autoren: Craig Russell
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den Schrei einer Frau. Ir­gendwo in der Ferne, hinter der Herbertstraße.
     

2.
     
    Jan Fabel saß vorgebeugt auf dem Rand eines Ledersessels. Er trug noch seinen Regenmantel und hielt seine Handschuhe zwischen den Fingern. Alles an seiner Haltung deutete auf einen baldigen Aufbruch hin, obwohl er gerade erst eingetrof­fen war.
    Vor langer Zeit war dieses Vorstadthaus in Hamburg-Borg­felde Fabels Zuhause gewesen. Er kannte jedes Zimmer, jeden Flur, jeden Winkel. Es war der Mittelpunkt seines Lebens ge­wesen. Sein Zuhause. Seitdem hatte sich natürlich vieles geän­dert: die Möbel, die Tapeten, das Fernsehgerät in der Ecke.
    »Du musst mit ihr reden.« Renate saß ihm gegenüber. Ihre Beine waren übereinandergeschlagen und ihre Arme vor dem Körper auf die defensive Art verschränkt, an die er sich gut er­innerte. Ihr Haar hatte nicht mehr das satte Kastanienbraun wie bei ihrer ersten Begegnung, wie bei ihrer Hochzeit, und er ver­mutete, dass sie es nun färbte. Sie war immer noch eine hübsche Frau, doch die Falten um ihren Mund hatten sich vertieft, so­dass ihr Gesicht einen Eindruck von Sparsamkeit vermittelte. Gott weiß, dachte Fabel, dass sie keinen Grund zur Verbitte­rung hat.
    »Ich werde mit ihr reden«, antwortete er. »Aber ich kann nichts versprechen. Gabi ist ein intelligentes Mädchen. Unab­hängig. Sie ist durchaus fähig, sich eine eigene Meinung über ihre Zukunft zu bilden.«
    »Soll das heißen, dass du es billigst? Es unterstützt?«
    »Ich werde alles unterstützen, wofür Gabi sich entscheidet.
    Aber persönlich wäre es mir lieber, wenn sie noch einmal über ihren Beruf nachdenken würde. Wenn sie sich am Ende für diese Möglichkeit entscheidet...« Er zuckte resigniert die Ach­seln. »Aber wir wollen nichts überstürzen. Sie hat noch viel Zeit, sich alles durch den Kopf gehen zu lassen. Du weißt, wie sie ist... Wenn sie meint, dass wir Druck auf sie ausüben, wird sie sich auf die Hinterbeine stellen.«
    »Es ist deine Schuld«, sagte Renate. »Wenn du kein Polizist wärest, hätte sie nie den Einfall gehabt, den gleichen Weg ein­zuschlagen. Gabi betet dich an. Es ist leicht, ein Held zu sein, wenn man Teilzeitvater ist.«
    »Und wer trägt dafür die Verantwortung?« Fabel versuchte, den Ärger zu unterdrücken, der in ihm aufwallte. »Ich ganz be­stimmt nicht. Wenn ich mich richtig erinnere, bin ich aus ihrem Leben hinausgedrängt worden - und zwar von dir.«
    »Und ich bin durch deine verfluchte Arbeit aus deinem Le­ben hinausgedrängt worden.«
    »Direkt in Ludiger Behrens' Bett, wenn ich mich nicht irre«, entgegnete Fabel und bedauerte seine Äußerung sofort. Renate war eine kleinliche Frau, was ihm erst im letzten Stadium ih­rer Ehe aufgefallen war. Und sie hatte immer die Gabe gehabt, ihn auf ihr Niveau hinunterzuziehen. »Lassen wir's, das Ganze führt zu nichts. Wir bauschen die Sache viel zu sehr auf. Gabi hat doch gerade erst angefangen, über ihre Berufswahl zu spre­chen. Warten wir einfach ab, bis sie ihr Abiturzeugnis be­kommt, und dann sehen wir weiter. Wirklich, es ist noch lange hin, bis sie sich entscheiden muss. Ich werde mich mit ihr un­terhalten und dafür sorgen, dass sie weiß, worauf sie sich einlässt. Aber ich wiederhole, Renate: Wenn sie entschlossen ist, zur Polizei zu gehen, werde ich sie vorbehaltlos unterstützen.«
    Renates ohnehin finstere Miene umwölkte sich noch mehr. »Das ist einfach verkehrt. Es ist kein Beruf für eine Frau.«
    Fabel sah Renate entgeistert an. »Ich kann's kaum glauben. Ausgerechnet du. Was soll das heißen: Bei der Polizei zu arbei­ten ist kein Beruf für eine Frau? Solange wir verheiratet waren, hätte ich dich nie für einen >Kinder, Küche, Kirche<-Typ gehal­ten. Andererseits, bei der Vorgeschichte deines Vaters ...«
    Fabel wusste, dass er von dem Feuer verbrannt werden würde, das plötzlich in Renates grünen Augen aufgeflammt war, doch zu seiner Erleichterung klingelte, gerade als sie sich anschickte, ihrem Zorn freien Lauf zu lassen, sein Handy.
    »Hallo, Chef, hier ist Anna. Du hast dich doch in den Siebzigern und Achtzigern für britische Popmusik begeistert, stimmt's?«
    »Das dürfte eine rhetorische Frage sein«, sagte Fabel mit warnender Stimme. »Was ist los?«
    »Jake Westland - du weißt schon, der Leadsänger dieser Gruppe aus den Siebzigerjahren -, also er ist zurzeit in Deutschland auf Tournee und sollte morgen im NDR ausführ­lich interviewt werden.«
    Fabel seufzte ins Telefon. »Anna
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