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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval
Autoren: Craig Russell
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Automatik wild hin und her. Niemand war da. Auch ›die Nase‹ nicht. Maria erblickte die in einer Reihe angeordneten Überwachungsmonitore, die nun leer und dunkel waren. Sie riss Schubladen von ihren Gleitschienen und hebelte Schränke auf, bis sie drei weitere Magazine für die Automatik fand, dazu die beiden Pistolen, die man ihr abgenommen hatte. In der Ecke stand ein Papierkorb. Wie rasend schüttete sie den Inhalt auf den Boden und fand ein halb aufgegessenes Brötchen, durchweicht von nicht getrunkenem Kaffee, das mit einem Stück Fleisch belegt war. Sie stopfte es sich in den Mund und verschlang es, fast ohne zu kauen. Der schale Geschmack vermischte sich auf ihrer Zunge mit dem von Sarapenkos Blut.
    In diesem Moment kam der Wächter, einen großen Kasten in den Händen, durch die Haupttür am Ende der Anlage. Bei Marias Anblick ließ er die Kiste fallen und griff in seine Lederjacke. Maria ging bedächtig, ohne Eile, auf ihn zu. Sie hörte mehrere Schüsse und merkte, wie Sarapenkos Waffe in ihrer ausgestreckten Hand zuckte. Der Mann, in die Brust und in die linke Seite getroffen, sank auf die Knie. Seine Hand schlüpfte aus der Jackentasche, und Maria feuerte noch zweimal auf seinen Körper, wonach die Pistole klappernd auf den Boden fiel. Sie beförderte die Automatik mit einem Tritt aus seiner Reichweite. Der Ukrainer atmete in kurzen keuchenden Zügen und blickte zu ihr auf. Maria wusste, dass er schwerverletzt war und sterben würde, wenn er nicht sofort in einem Krankenhaus behandelt wurde. Wahrscheinlich wusste er es ebenfalls. Er wollte aufstehen, doch Maria stieß ihn mit dem Stiefel zurück auf den Boden.
    »Wo soll der Austausch stattfinden?«, fragte sie.
    »Was für ein Austausch?«, stieß er zwischen zwei mühsamen Atemzügen hervor.
    Maria senkte die Pistole und feuerte erneut. Er schrie auf, als seine rechte Kniescheibe zertrümmert wurde. Seine Jeans färbten sich schwarzrot.
    »Ich soll gegen etwas ausgetauscht werden«, sagte Maria mit immer noch ruhiger Stimme. »Wahrscheinlich gegen das Witrenko-Dossier. Wo ist das Treffen und mit wem?«
    »Geh zur Hölle …«
    »Nein«, erwiderte Maria müde. »Du gehst zur Hölle.« Sie beugte sich vor und richtete die Mündung auf seine Stirn.
    »Beim Dom«, sagte ›die Nase‹. »An der Ecke Komödienstraße/Tunisstraße. Mit Fabel.«
    »Jan Fabel?«
    »Er soll eine Kopie der Akte im Austausch für dich übergeben.«
    »Wann?«
    »Rosenmontag. Zur Zeit des Umzugs.«
    »Danke«, murmelte Maria. »Du wirst sterben, wenn dir niemand hilft. Hast du ein Handy?«
    »In der Tasche.« Maria drückte ihm die Pistolenmündung an die Wange, während sie mit der anderen Hand in seiner Lederjacke stöberte, das Handy herausholte und es in ihre eigene Tasche steckte. Dann packte sie mit letzter Kraft den Wächter, dessen Schmerzensschreie sie ignorierte, am Jackenkragen und zerrte ihn über den Boden und in den Kühlraum. Sie ließ ihn neben die Leiche von Olga Sarapenko sacken.
    »Wie gesagt …« Maria betrachtete ›die Nase‹ teilnahmslos und zog die Tür des Kühlraums zu. »… du gehst zur Hölle.«
    6.

    Fabel – hinter sich die in den Himmel ragenden Türme des Kölner Doms – stand an der Ecke Komödienstraße/Tunisstraße und sah zu, wie ein Festwagen nach dem anderen vorbeizog. Menschenmengen in organisiertem Chaos. Fabel schaute die Tunisstraße entlang und erkannte Scholz’ Kölner Polizeifestwagen, der sich langsam näherte. Er starrte auf den Umzug, ohne ihn wahrzunehmen. Stattdessen ging er sämtliche Alternativen durch. Er überlegte sogar, ob er hier sterben würde. Denn wenn Maria bereits tot war, würde Witrenko ihn umbringen, sobald er das Dossier in Händen hatte. Fabel packte die Plastiktragetasche noch fester.
    »Der Rosenmontag hat übrigens nichts mit Rosen zu tun«, hatte Scholz ihm erklärt. »Die Bezeichnung leitet sich von dem mittelhochdeutschen ›Rasenmontag‹ ab, das heißt dem ›rasenden Montag‹.« Nun stand Fabel also am Rosenmontag an der Ecke einer Kölner Straße und erlebte mit, wie die Stadtbevölkerung die Welt auf den Kopf stellte.
    Ein gigantisches Pappmodell des amerikanischen Präsidenten George Bush, dessen nackter Hintern von einem wütenden Araber versohlt wurde, rollte vorbei. Ein anderer Festwagen folgte, auf dem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel als Rheinjungfrau gezeigt wurde. Auf dem nächsten Wagen wurde eine Gruppe deutscher Fernsehprominenter dargestellt, die sich die Taschen mit Geld
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