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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry
Autoren: Benvolio
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wenn schon? Ich habe vor, den ersten reichen Mann zu heiraten, der um mich anhält. Wissen Sie, dass ich dieses langweilige Leben hier leid bin, dass ich es leid bin, allein zu sein, kleinen Mädchen die Tonleiter beizubringen und meine Kleider zu wenden und zu flicken? Ich habe vor, den erstbesten Mann zu heiraten, der um mich anhält.»
    « Selbst wenn er arm ist?»
    « Selbst wenn er arm, hässlich und dumm ist.»
    « Dann bin ich Ihr Mann. Würden Sie mich nehmen, wenn ich Ihnen einen Antrag machte?»
    « Machen Sie mir einen und schauen Sie, was passiert.»
    « Muss ich vor Ihnen auf die Knie fallen?»
    « Nein, nicht einmal das brauchen Sie zu tun. Bin nicht ich vor Ihnen auf die Knie gefallen? Das wäre gar zu ironisch. Bleiben Sie, wo Sie sind, zurückgelehnt in Ihrem Sessel, die Daumen in der Weste eingehakt.»
    Schriebe ich hier einen Roman, anstatt nur die Tatsachen wiederzugeben, würde ich sagen, ich wüsste nicht, was geschehen wäre, wenn nicht in diesem kritischen Augenblick die Tür aufgegangen
und der Kapitän und Mr Johnson eingetreten wären. Letzterer war bester Stimmung.
    « Wie geht es Ihnen, Miss Esther? Sie haben sich also das Bein gebrochen, was? Wie geht es Ihnen, Mr Locksley? Ich wünschte, ich wäre Arzt. Welches ist es, das rechte oder das linke?»
    Auf diese einfältige Art umschmeichelte er Miss Blunt. Er blieb zum Essen und redete ununterbrochen. Ob unsere Gastgeberin in der eine Stunde zuvor an mich gerichteten sehr resoluten Ansprache bereits alles gesagt hatte, was es zu sagen gab, ob sie Mr Johnsons Redefluss lieber nicht unterbrechen wollte oder ob er ihr vielmehr gleichgültig war, weiß ich nicht; jedenfalls schwieg sie mit jener unbefangenen Anmut, jenem bezaubernden stillschweigenden Andeuten von«Wir könnten, wenn wir wollten», das sie so vollkommen beherrscht. Diese außerordentlich interessante Frau hat eine Reihe von ansprechenden Eigenschaften mit ihren in der Stadt aufgewachsenen Schwestern gemein, nur sind sie bei ihr durchweg angeboren, während sie bei jenen mühsam anerzogen sind. Ich bin überzeugt, dass sie, versetzte ich sie morgen an den Madison Square, nach einem schnellen, alles erfassenden Blick das nil admirari 16 in einer Weise annehmen würde, die noch die vornehmste all
der Damen dort zur Verzweiflung triebe. Johnson ist ein Mann mit den besten Absichten, aber ohne Geschmack. Zwei-, dreimal schaute ich zu Miss Blunt hinüber, um zu sehen, welchen Eindruck seine Auslassungen auf sie machten. Dem Anschein nach gar keinen. Doch ich weiß es besser, moi 17 . Keine einzige seiner Äußerungen entging ihr. Aber wahrscheinlich sagte sie sich, dass ihre Eindrücke in dieser Frage mich nichts angingen. Vielleicht hatte sie recht. Es ist kein sehr schönes Wort im Zusammenhang mit einer Frau, die man bewundert, aber ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass sie ein wenig verbittert war. Weshalb? Wer kann das sagen? Aufgrund irgendeiner alten Liebesaffäre vielleicht.

    24. Juli . – Heute Abend machte ich mit dem Kapitän einen halbstündigen Spaziergang am Hafen. Ich fragte ihn offen, als Freund, ob Johnson seine Tochter heiraten wolle.
    « Vermutlich», sagte der alte Mann,«und doch hoffe ich, dass er es nicht will. Sie wissen ja, wie er ist: Er ist gescheit, gibt zu den schönsten Hoffnungen Anlass und ist schon jetzt leidlich wohlhabend. Aber irgendwie ist er nicht der Mann, der meiner Esther das Wasser reichen kann.»

    « Das ist er wirklich nicht!», sagte ich.«Und ganz ehrlich, Kapitän Blunt, ich weiß nicht, wer das könnte …»
    « Außer Sie selbst», sagte der Kapitän.
    « Danke. Ich weiß, dass Mr Johnson in vielerlei Beziehung Ihrer Tochter würdiger ist als ich.»
    « Und ich weiß, dass Sie zumindest in einer ihrer würdiger sind als er – weil Sie nämlich das sind, was wir einen Gentleman zu nennen pflegten. »
    « Miss Esther hat ihn am Sonntag in ihrer ruhigen Art recht herzlich willkommen geheißen», entgegnete ich.
    « Oh, sie schätzt ihn», sagte Blunt.«In der Lage, in der sie sich befindet, genügt ihr das vielleicht, um ihn zu heiraten. Sehen Sie, sie ist es leid, kleine Mädchen auf dem Klavier herumhämmern zu hören. Ich wundere mich ohnehin», fügte der Kapitän hinzu,«dass sie es bei ihrem musikalischen Gehör so lange ertragen hat.»
    « Sie ist zweifellos zu Besserem bestimmt», sagte ich.
    « Nun», erwiderte der Kapitän, der die redliche Angewohnheit hat, Zustimmung zurückzuweisen, wenn er meint, er habe sie
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