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James Bond 02 - Leben und sterben lassen (German Edition)

James Bond 02 - Leben und sterben lassen (German Edition)

Titel: James Bond 02 - Leben und sterben lassen (German Edition)
Autoren: Ian Fleming
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Hundertzweiundvierzigste Straße, wo die Todesrate durch Tuberkulose doppelt so hoch wie in jedem anderen Viertel in New York war. Nun stand ihm nur noch ein Teil eines Lungenflügels zur Verfügung.
    »Sag allen ‚Augen‘«, befahl ihm eine tiefe Stimme, »dass sie von nun an auf drei Männer achten sollen.« Es folgte eine kurze Beschreibung von Leiter, Bond und Dexter. »Sie kommen vielleicht heute oder morgen Abend nach Harlem. Sag ihnen, sie sollen besonders auf die Erste bis Achte und die entsprechenden Avenues achten. Auch auf die Nachtlokale, falls man sie beim Reinkommen übersieht. Niemand darf sie belästigen. Ruf mich an, sobald du einen Treffer hast. Verstanden?«
    »Ja, Sir, Boss«, bestätigte Whisper schnell atmend. Die Stimme verstummte. Der Telefonist nahm eine ganze Handvoll Stecker, und schon bald blinkten überall auf dem Schaltbrett Lichter auf. Leise und drängend flüsterte er in die Nacht hinaus.
    Um achtzehn Uhr wurde Bond vom leisen Summen des Telefons geweckt. Er nahm eine kalte Dusche und zog sich sorgfältig an. Er band sich eine grell gestreifte Krawatte um und ließ ein breites Stück des gefalteten Einstecktuchs aus seiner Brusttasche herausschauen. Dann zog er das Holster aus Gamsleder über sein Hemd, sodass es etwa zehn Zentimeter unterhalb seiner Achselhöhle hing. Er ließ den Lademechanismus der Beretta aufschnappen, bis alle acht Kugeln auf dem Bett lagen. Dann steckte er sie zurück in das Magazin, lud und sicherte die Waffe und ließ sie ins Holster gleiten.
    Er griff nach einem Paar Mokassins, befühlte die Spitze und wog sie in der Hand. Dann streckte er einen Arm unter das Bett und zog ein Paar seiner eigenen Schuhe heraus, die er nicht in den Koffer mit seinen Besitztümern gepackt hatte, die ihm das FBI an diesem Morgen weggenommen hatte.
    Er zog sie an und fühlte sich damit gleich besser für den Abend gerüstet.
    Unter dem Leder waren die Schuhspitzen mit Stahl ausgekleidet.
    Um achtzehn Uhr fünfundzwanzig ging er nach unten in die King Cole Bar und wählte einen Tisch an der Wand in der Nähe des Eingangs. Ein paar Minuten später kam Felix Leiter herein. Bond erkannte ihn kaum wieder. Sein strohblonder Haarschopf war nun pechschwarz, und er trug einen schillernden blauen Anzug mit einem weißen Hemd und einer schwarz-weiß gepunkteten Krawatte.
    Leiter warf ihm ein breites Grinsen zu.
    »Ich habe mit einem Mal beschlossen, diese Leute ernst zu nehmen«, erklärte er. »Dieses Zeug in meinen Haaren ist nur eine Tönung. Das wird sich morgen früh wieder rauswaschen lassen. Hoffe ich zumindest«, fügte er hinzu.
    Leiter bestellte zwei halbtrockene Martinis mit einem Stück Zitronenschale. Er verlangte ausdrücklich House-of-Lords-Gin und Martini Rossi. Die Schärfe des amerikanischen Gins, der sehr viel hochprozentiger war als englischer, traf Bond unerwartet. Er kam zu dem Schluss, dass er aufpassen musste, was er an diesem Abend trank.
    »Dort, wo wir hingehen, müssen wir auf der Hut sein«, sagte Felix Leiter und sprach damit Bonds Gedanken aus. »Harlem ist heutzutage ein ziemlicher Dschungel. Die Leute gehen nicht mehr so oft dorthin wie früher. Vor dem Krieg ging man am Ende des Abends nach Harlem wie man in Paris ins Montmartre geht. Sie nahmen das Geld der Besucher dankend entgegen. Man ging in den Savoy Ballroom und sah den Tänzern zu. Vielleicht schleppte man eine Mulattin ab und riskierte die Arztrechnung, die danach folgen mochte. Doch nun hat sich das alles verändert. Harlem steht nicht mehr gerne im Mittelpunkt. Die meisten Bars dort haben zugemacht, und in den anderen wird man lediglich geduldet. Oft wird man sogar rausgeworfen, nur weil man weiß ist. Und von der Polizei hat man auch kein Mitleid zu erwarten.«
    Leiter fischte die Zitronenschale aus seinem Martini und kaute nachdenklich darauf herum. Nach und nach füllte sich die Bar. Sie war warm und gesellig – kein Vergleich, meinte Leiter, zu der feindlichen, aufgeladenen Atmosphäre der Negerkneipen, in denen sie später etwas trinken würden.
    »Glücklicherweise«, fuhr Leiter fort, »mag ich die Neger, und sie scheinen das irgendwie zu wissen. Ich war mal ein recht großer Fan von Harlem. Ich habe für die
Amsterdam News
und andere Lokalzeitungen ein paar Artikel über Dixieland Jazz geschrieben. Und eine Reihe für die Nordamerikanische Zeitungsvereinigung über das Negertheater um die Zeit, als Orson Welles seinen
Macbeth
im Lafayette mit einem kompletten Negerensemble inszenierte.
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