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Jagdfieber

Jagdfieber

Titel: Jagdfieber
Autoren: Vivian Hall
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an Victor herankommen sollte.
    Sie blickte flüchtig zu James. Den musste sie noch loswerden, bevor sie sich mit ihrem Vater unterhielt, und so bat sie die Dame von der Rezeption, kurz zu warten.
    „James …“
    Er drehte sich halb zu ihr um, einen fragenden Ausdruck im Gesicht. Die Hand schützend über die Telefonmuschel gelegt, deutete sie mit dem Kopf zur Schlafzimmertür. Begriffsstutzig, wie er nun mal war, kapierte er nicht gleich, was sie von ihm wollte, und wirkte ein wenig irritiert. Mit jeder Sekunde offenbarte er mehr, wie hoffnungslos naiv er durch die Welt tappte. Am liebsten hätte sie ihm den Kopf getätschelt und ihn heim zu Mami geschickt.
    „James, es tut mir sehr leid, aber dieser Anruf ist enorm wichtig für mich und … nun ja … privat“, erklärte sie mit betont freundlicher Stimme.
    Immer noch zeigte er keine Anzeichen des Verstehens, also wurde sie deutlicher.
    „James, könntest du mich bitte allein lassen?“
    Man konnte förmlich dabei zusehen, wie ihm ein Licht aufging. Er riss die Augen auf und wirkte wie ein Kind, dem man sein Lieblingsspielzeug kaputtgetreten hatte.
    „Ich soll gehen? Jetzt?“
    Paige nickte nachdrücklich, darum bemüht, einen möglichst zerknirschten Ausdruck auf ihr Gesicht zu zaubern.
    „Mir tut es ja auch leid, aber es geht nicht anders. Dieses Gespräch ist wirklich wichtig, und ich kann dabei niemanden in meiner Nähe brauchen.“
    Für einen Augenblick dachte sie schon, er würde Probleme machen, doch das erwies sich gottlob als Trugschluss. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis er auf den Beinen stand, nach seinen Klamotten griff und sich eilig anzog.
    „Sehen wir uns wieder?“, fragte er hoffnungsvoll und zog den Reißverschluss seiner Jeans hoch. Das Surren empfand sie als unnatürlich laut in der Stille. Kurz zog sie es tatsächlich in Erwägung, ihn wiederzusehen. Immerhin war er ein hübscher Kerl. Zugegeben, nicht sehr clever, aber es hieß nicht umsonst: Dumm fickt gut. Doch je treuherziger er sie anglotzte, umso klarer wurde ihr, dass es keinen Zweck hatte, sich weiter mit ihm abzugeben. Sie beschloss für sich, die Akte James zu schließen, da sie ihn ohnehin nur mit Victor vergleichen würde. Und dabei konnte der Junge nur verlieren.
    „Ich bin sicher, wir laufen uns noch über den Weg“, antwortete sie vage. „Überlassen wir es einfach dem Zufall. Okay?“
    Er zögerte sichtlich, nickte dann aber zu ihrer Erleichterung, wenn auch mit sichtlich verletzter Miene.
    „Na gut, wenn du meinst. Also dann … Wir sehen uns vielleicht irgendwann.“
    Sie lächelte ihn aufmunternd an und bewunderte noch den straffen Arsch unter seiner Levi’s, als er mit hängenden Schultern und unverhohlener Enttäuschung zur Tür hinausschlich. Dann wandte sie sich wieder ihrem Gespräch zu.
    „Sie können mich jetzt durchstellen.“
    „Gerne, Miss Turner. Ich wünsche noch einen schönen Tag.“
    Es dauerte nur ein paar Wimpernschläge lang, ehe die sonore Stimme ihres Vaters das leichte Knistern in der Leitung übertönte.
    „Paige … bist du dran?“
    „Ja, bin ich. Schön, dass du anrufst. Wie ist das Wetter in Italien?“, grüßte sie ihn gutgelaunt.
    „Heiß.“
    Die knappe Antwort war typisch für ihren Vater.
    „Wow, du bist wieder ungemein gesprächig“, spottete sie gutmütig. Sie freute sich zu sehr darüber, seine Stimme zu hören, um sich über seine einsilbige Antwort zu ärgern. Ross war Ross. Er machte stets, was ihm gefiel, und ließ sich dabei von niemandem reinreden. „Gibt’s was Besonderes, oder rufst du einfach so an?“
    „Du bist meine Tochter und machst eine Dummheit nach der anderen, da ruft man als Vater nicht einfach so an“, belehrte er sie prompt, was ihr die Hitze in die Wangen trieb.
    Er kannte sie einfach viel zu gut, las ihr andauernd die Leviten und regte sich tierisch über ihren lockeren Lebenswandel auf. Und doch liebte sie ihn mehr als jeden anderen Menschen auf der Welt. Sie bewunderte ihn für seine schier unerschöpfliche Energie und seinen Willen, sich für Dinge einzusetzen, die ihm wichtig waren. In einem schon lange zurückliegenden Gespräch hatte er ihr gestanden, dass er süchtig danach war, immer höher und immer weiter nach oben zu gelangen. Wie ein Kind, das mit den Fingerspitzen nach dem blauen Himmel griff und einfach auf einen Stuhl stieg, wenn es ihn nicht erreichen konnte. Sein Privatleben blieb deswegen größtenteils auf der Strecke, und sie fragte sich oft, ob er sich nicht manchmal
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