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Jagd auf Jesse James

Jagd auf Jesse James

Titel: Jagd auf Jesse James
Autoren: Jack Slade
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pirschte sie auf den Mann im Bett zu. Nur einmal tuschierte sie mit dem Knie die Sitzfläche eines Stuhls, aber das Geräusch, das dabei entstand, war so leise, dass sie es selbst kaum vernahm.
    Endlich stand sie am Kopfende des Bettes.
    Don Miles lag auf der Seite, hatte ihr den Rücken zugewandt. Er atmete ruhig und regelmäßig.
    Pohawe griff unter ihr hirschledernes Gewand und brachte ihren magischen Obsidian zutage, der an einer geflochtenen Kordel baumelte. Der schwarze Schmuckstein glänzte matt.
    Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Jetzt kam es darauf an, die Gedanken des Schlafenden in eine bestimmte Richtung zu lenken. Nach einer Weile beugte sie sich vor, ließ den Stein über den Kopf des Schläfers pendeln und wisperte einige Beschwörungsformeln.
    Miles regte sich nicht. Er gab keinen Laut von sich. Nur sein Atmen war zu hören.
    Pohawe sprach jetzt einen Tick lauter. Nachdem sie den Spruch beendet hatte, verfiel sie in einen melodischen Singsang, dessen Tempo sie allmählich steigerte.
    Dann, ganz unvermittelt, hielt sie inne.
    »Und jetzt sage mir, wo ich Lassiter finde«, flüsterte sie auf Englisch.
    Der Mann stieß einen unartikulierten Laut aus.
    »Die Geister haben dich nicht verstanden«, sagte sie. »Wiederhole, was du gesagt hast.«
    »St. Joseph«, keuchte der Schlafende.
    In Pohawes Augen trat ein triumphierender Glanz. Sie unterbrach des Pendeln des Steins und schob das Gebilde unter ihr Gewand zurück. Sie kannte den Ort, den ihr der Schlafende verraten hatte. Bald würde sie Lassiter finden.
    Damit war die erste Etappe ihrer Mission erfüllt.
    Die Comanchin verließ das Haus auf dem gleichen Wege, auf dem sie gekommen war.
    ***
    »Sie sind der Erste, der sich nach dem Mädchen erkundigt«, sagte Marshal Pratt, und in seiner Stimme lag unverhohlene Bitterkeit. »Darf man fragen, woher Ihr Interesse rührt?«
    Lassiter nickte. »Ich bin auf der Suche nach einer jungen Dame, die gerade dabei ist, einen unverzeihlichen Fehler zu begehen. Ich möchte ausschließen, dass es sich bei der Toten um meinen Ausreißer handelt.«
    Es war Vormittag, und die beiden Männer standen auf der Terrasse vor dem Marshal’s Office . Der Sternträger war ein stuckiger Graukopf in mittleren Jahren. Wäre nicht die Dienstmarke auf dem Revers seines makellosen Gehrocks gewesen, hätte man ihn für einen Angehörigen der High Society halten können.
    »Wie heißt das Mädchen, nachdem Sie suchen?«, fragte er.
    »Jona Miles.«
    »Miles?« Pratt hob seine Brauen. »Etwa die Tochter von Bordell-Miles?«
    »Ganz recht.«
    »Tod und Teufel!« Pratt sah sich um. »Das wäre natürlich ein gefundenes Fressen für die Reporter. Mein Gott, was für eine Schlagzeile: Tochter des Bordellkönigs tot in Gosse gefunden !«
    Auch für Lassiter war die Vorstellung daran ein Albtraum. »Ich möchte die Leiche besichtigen«, sagte er. »Das ist doch möglich, oder?«
    »Leider nicht«, gab der Marshal zurück. »Es sei denn, Sie wollen das Grab aufschaufeln, in dem das Mädchen liegt.«
    Lassiter unterdrückte einen Fluch. Sie hatten die unbekannte Tote also gleich unter die Erde gebracht, ohne sie zu identifizieren. Er überlegte fieberhaft, was er unternehmen konnte, um sich Gewissheit zu verschaffen. Gesetzt den Fall, es handelte sich tatsächlich um Jona, würde ihr Vater es keinesfalls zulassen, dass sie hier in einem anonymen Grab in Maryville blieb.
    »Ich brauche eine Beschreibung von ihr«, sagte er. »Sie haben die Tote doch gesehen, nicht wahr?«
    »O ja, das hab’ ich.« Pratt blähte die Backen. »Das arme Ding war in einem entsetzlichen Zustand, als man ihre Überreste unter dem Holzstoß vorklaubte. Selten zuvor habe ich etwas Schrecklicheres zu Gesicht bekommen. Sie muss schon mehrere Tage unter dem Holz gelegen haben.«
    »Und niemand konnte sich an sie erinnern?«
    »Nicht ein Mensch.« Pratt zog eine Grimasse. »Ich habe jeden Bürger der Stadt in die Mangel genommen. Natürlich zuerst die Jungs aus dem Saloon, hinter dem man sie fand. Der Reihe nach habe ich sie zum Leichenschauhaus geführt. Alle schüttelten nur mit dem Kopf. Niemand wusste etwas. Ich nehme an, sie war eine Abenteuerin, die allein durch die Gegend zog.«
    »Zumindest der Kerl, der sie getötet hat, muss sie gesehen haben«, knurrte Lassiter.
    »Der wird sich eher die Zunge abbeißen, als darüber zu reden.«
    »Haben Sie einen Verdächtigen?«
    Pratt schüttelte den Kopf. »So eine Schweinerei würde ich nicht mal dem übelsten
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