Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
erstens wird man da nicht reingelassen, und zweitens steht man den Frauen beim Tanzen auf den Füßen. Sie sehen doch, was für Füße ich habe. Eher bringt man einem Ochsendas Polkatanzen bei als diesen Füßen. Aber neugierig war ich und wollte sehen, was man so treibt dort drinnen.
    Also warte ich einmal auf eine neue Materiallieferung, der Augenstein ist mit seinen Töchtern schon beim Ball, und der Wagen verspätet sich. Das ist normal bei uns, der Weg ist lang und unberechenbar. Da sind schon mal Autos in die Tiefe gestürzt, wenn sie Steinbrocken oder Löcher umfahren wollten. Ich höre die ganze Zeit die Musik von nebenan und das Gelächter der Leute, immer wieder eine Polka, dann ein Csardas, dann wieder eine Polka.
    Also gehe ich auf die Straße, doch wenn ich schon auf der Straße bin, denke ich, warum soll ich sie nicht überqueren? Und wenn ich schon mal vor dem Hotel stehe, warum soll ich nicht auch hineingehen? Am Empfang ist niemand, obwohl normalerweise immer einer da steht, der Laufburschen und Zigeuner abfängt.
    Ich nehme die Mütze ab, ich hüstle, aber keiner kommt. Und da ist die Musik aus dem ersten Stock, die mich magisch anzieht, also sage ich mir: ‹Du gehst weiter, Junge, jetzt ist es sowieso egal, wo sie dich erwischen. Du bist doch nicht zum Stehlen da, das werden sie schon einsehen, wenn es darauf ankommt. Der Augenstein legt bestimmt ein gutes Wort für dich ein.›
    Ich gehe die Treppe ganz vorsichtig hinauf, als ich oben ankomme, schiebe ich einen dicken Vorhang beiseite und erschrecke. Dort steht der Empfangsherr, doch anstatt mich wegzujagen, hält er sich den Finger an die Lippen und bedeutet mir, dass ich durchs Glas schauen soll. Da sind nämlich so Schiebetüren mit Glas, und auf dem Glas steht der Name des Hotels.
    Was ich dort gesehen habe, ist wie ein Traum gewesen, am liebsten wäre ich nicht wieder aufgewacht. Schöne,reiche Menschen, die Männer in Frack und die Frauen schulterfrei, mit Schleifen und Glitzer, du verstehst mehr davon als ich, Schwester. Jede Menge Mädchen, die ich vom Sehen her kannte, und alle hatten sich herausgeputzt.
    Ich starre eine Weile vor mich hin und bewundere auch die Dekoration, denn manche Stoffe waren aus unserem Laden. Ich stehe da wie ein verzauberter Bauernlümmel, der ich bestimmt auch bin, Schwester. Plötzlich stößt mir der andere den Ellbogen in die Rippen und hält mir eine Zeitung hin. ‹Die haben keine Klasse›, murmelt er. ‹Die hat Klasse.› Ich habe gar nicht gewusst, was er mit
Klasse
meint. Das gibt es doch nur bei den Zügen, erste, zweite Klasse, ich fahre dritte Klasse. Auf den Waggonstufen, da bin ich schneller weg, wenn der Zugführer kommt.» Jakob zwinkerte Elsa zu.
    «Ich will mir also gerne das Foto näher anschauen, doch genau in jenem Augenblick wird an der Straße gehupt. ‹Du kannst die Zeitung haben›, sagt mir der Empfangskerl, ‹mich wird sie sowieso nicht heiraten.› Ich stecke sie mir unter den Arm und laufe los. Erst zu Hause, als ich mich am Abend auf die Pritsche gelegt habe, habe ich die Zeitung aufgeschlagen. Man will doch wissen, was in der Welt passiert, wenn man an so einem Ort wie Bokschan lebt. Ich blätterte sie durch und stieß auf das Foto, das er mir zeigen wollte. Hier, sehen Sie?»
    Jakob holte die Zeitungsseite hervor, faltete sie auseinander und legte sie auf den Tisch. Mit der offenen Hand strich er darüber, um sie zu glätten.
    «Das bist du, Schwester, als du in Temeschwar am Bahnhof angekommen bist. Darunter steht:
Die Rückkehr der Amerikanerin. Am Temeschwarer Bahnhof wird sie von vielen
Schaulustigen empfangen.
Dann erklärt der Journalist, dass du eine lange Fahrt hattest, von New York nach Temeschwar, wochenlang auf dem Schiff und im Zug. Im Hintergrund sieht man dein Gepäck, es ist eine ganze Menge. Das Foto ist bei deiner Ankunft vor zwei Jahren gemacht worden, das Interview ist aber ganz neu, noch nicht einmal vier Monate alt. Der Journalist fragt dich noch, was am schwierigsten gewesen ist, nach der Rückkehr. Weißt du noch, was du geantwortet hast? Wo ist schon wieder die Stelle?»
    Jakob fuhr mit dem Finger fiebrig über den Text. «Da ist sie. Du sagst: Das Schwierigste ist, einen Mann zu finden.
In meinem Alter ist man in Amerika noch ganz jung, aber hier schon ziemlich alt.
Und du sagst auch noch, dass sich die heiratsfähigen Männer vielleicht auch deshalb fernhalten, weil du nun reicher bist als die meisten von ihnen. Ich zitiere wieder:
Aber auch ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher