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Jacob beschließt zu lieben - Roman

Jacob beschließt zu lieben - Roman

Titel: Jacob beschließt zu lieben - Roman
Autoren: C.H.Beck
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wünsche mir einen Mann, wie jede andere Frau auch. Einen, der den Hof des Vaters übernimmt und mit dem ich in meinem neuen Stadthaus leben kann. Und Kinder haben, warum nicht auch Kinder haben? Alles, was eine Frau glücklich macht, wünsche ich mir.
Nun», Jakob machte eine Pause, um die Wirkung seiner Worte zu verstärken, «deshalb bin ich hier. Ich möchte dich heiraten, den Hof führen und Kinder zeugen. Eines würde schon genügen, ein Junge, um später den Hof zu beerben.»
    Er sprach diesen Satz langsam aus und betonte jedes Wort, als ob er es auskostete, es schien ihm zu schmecken, wie ein feines Gericht. Elsa packte die Stuhllehne und setzte sich hin. Ihr Vater riss die Augen auf, zog die Zeitungsseite zu sich und las die Stellen noch mal leise vor.
    «Halte mich nicht für verrückt, Schwester. Ich habe es mir genau überlegt, Tag und Nacht. Es ist mir gar nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Du brauchst einen Mann für dein Glück, und ich brauche einen Hof. Es kann funktionieren. Du brauchst mir auch nicht gleich zu antworten, ich warte so lange drüben beim Apotheker. Wir verstehen uns gut, er ist nur etwas schreckhaft. Er ist sicher froh, wenn ich mich ein wenig um die Tiere kümmere.»
    Zuerst geschah gar nichts, alle drei schienen wie verhext zu sein, als ob Jakobs Worte ein Zauberspruch gewesen wären. Die Tagelöhner und der Hahn beäugten sie aus sicherer Entfernung. Wenn der Hahn nicht wieder gekräht hätte, hätten die drei womöglich lange nicht gewagt, sich zu rühren.
    Elsa, um sich nicht vergewissern zu müssen, dass das alles tatsächlich geschah. Niclaus, weil sein größter Wunsch in Erfüllung gegangen war. Da stand tatsächlich ein arbeitsfähiger, gesunder Mann vor ihm, der den Hof übernehmen konnte. Die Erde, der Acker, an dem er so hing, vielleicht mehr als an seiner Tochter, das alles würde sich nicht in Gestrüpp verwandeln. Und was eigentlich noch schlimmer wäre: Sie würden nicht in fremde Hände übergehen. «Er will uns verhöhnen», murmelte er gedankenverloren.
    Als sich Elsa noch immer nicht bewegte, setzte Jakob zum Rückzug an. «Dann lasse ich euch lieber allein, damit ihr es euch überlegen könnt. Ihr wisst, wo ihr mich findet. Und, Bruder», jetzt drehte er sich ihrem Vater zu, «es sieht ganz so aus, als ob du hier zwei kräftige Arme gut brauchen könntest. Auch auf den Feldern habt ihr bestimmt noch viel Korn stehen, viel habt ihr hier noch nicht eingelagert. Aber das könnt ihr schlecht zu zweit erledigen,und die Tagelöhner dort hinten sehen nicht aus, als ob sie etwas wert wären. Die Leute helfen euch nicht gerne, habe ich gehört. Macht euch nichts daraus, sie sind neidisch und böse, das war schon immer so.» Er streifte beim Hinausgehen das einzige übrig gebliebene Pferd, das friedlich graste, und rief: «Ein schönes Tier, so ein Pferd, da kann man nichts sagen!»
    Es war die längste Rede gewesen, die er bisher gehalten hatte. Viel zu sagen war auch nie nötig gewesen, würde er später behaupten, höchstens ein: «Schieb das Brot rüber!» oder: «Schneid mir etwas Speck ab!» Die Gespräche mit seinem eigenen Vater am Tisch seien immer sehr spärlich gewesen. Aber damit würde er bestimmt keine Frau rumkriegen und erst recht keine, die in Amerika gewesen war. Er hatte immer schon Leute bewundert, die mit Worten umgehen konnten. Bewundert, aber auch verachtet. Sie redeten zu viel für die paar guten Gedanken, die man in einem ganzen kurzen Leben haben konnte.
    Jakob rechnete mit einer Woche, bis er eine Antwort kriegen oder bis er sich eine holen würde. Sie kam aber schon am nächsten Tag.
    * * *
    Elsa hatte sich einen solchen Augenblick gewünscht, wenn auch nicht in den Trümmern ihres Hauses. Ein netter Mann aus Triebswetter oder aus Temeschwar vielleicht. Doch keiner war gekommen, zwei lange Jahre nicht. Aber ein Laufbursche? Auch ihre Familie hatte bessere Tage gesehen, der Name Obertin hatte Gewicht gehabt, war geachtet und gefürchtet worden, bis nach Jahrzehnten des Niedergangs nur ihr Vater, sie und die Armut geblieben waren.
    Sie hatten gehungert wie viele andere auch, aber das war in der Gegend nichts Neues. Man kann sagen, dass der Hunger aus Lothringen mit geflüchtet war und sich hier eingenistet hatte, nachdem er in Lothringen fast jeden umgebracht, die Mägen der Kinder aufgebläht und die Körper der Eltern ausgemergelt hatte. Der Hunger hatte im Land ihrer Vorfahren, im Land von Frederick Obertin, so lange, so grauenvoll gewütet und
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